kunst O.ST: auf.draht

Zur Eröffnung
... der Station des Festivals „auf.draht" im „Museum im Rathaus",
Gleisdorf, am 24.4. 2009 (Ein gesprochener Text)
Von Walter Kratner

(…)

Und als Gast Jack Sal /New York bzw. Italien.
Vom letztgenannten – dem amerikanischen Künstler – Jack Sal, sehen sie hier (im rechten Ausstellungsraum) eigentlich nur eine geschichtete Steinfläche und ein Video, das einen Fußmarsch des Künstlers, zusammen mit weiteren 17 Personen, zeigt. 9 km von Prebensdorf nach Gleisdorf. 18 Menschen auf dem Weg.

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„Ein österreichischer Marsch" nennt der Künstler seine – zwischen Raum, Zeit und Erinnerung – angesiedelte Aktion.

Der französische Historiker und Theologe Michel de Certeau sah das Gehen „als ein Sprechen der verhallenden Schritte".

(Pause): Welche verstummten Schritte könnte ein amerikanischer Künstler zum Sprechen bringen wollen? In Prebensdorf!? Günter Brus. 1965. „Der Wiener Spaziergang." –

Wien ja! – Aber Prebensdorf! – und dort noch „einen österreichischen Marsch!"
Fasziniert doch Künstler bei der Philosophie des Gehens das Verrinnen der Zeit, das Ephemere, die Flüchtigkeit der Bewegung. (Ende)

Was aber, wenn das Gehen kein freiwilliges ist? Wie geschehen 1945. Ebenda in Prebensdorf! Da rannten 18 Menschen – so gut sie konnten – um ihr Leben, um nach 9 km vom lokalen Volkssturm eingeholt und von Angehörigen der Waffen SS-Division „Wiking" erschossen zu werden.

(Pause:) Ein Detail in Österreichs Geschichte. Eine „quantité negliable", Herr Hofrat! (Ende)

Zehntausende – darunter vor allem ungarische Juden – waren damals in Arbeitslagern interniert und galten mit dem Vorrücken der Roten Armee zunehmend als Faustpfand für Verhandlungen mit den Alliierten und wurden deshalb in Konzentrationslager getrieben. Es war die Zeit der so genannten Todesmärsche.

(Pause): Man erinnert sich! – Ungern! – (Ende)

Die lange Geschichte des kurzen 20. Jahrhunderts ließe sich aus der Sprache des Gehens und ihrer Artverwandten schreiben: Mitläufer und Demonstranten, Flaneure, Passanten, Marschierer; Soldaten, Jogger, Flüchtlinge.

Für Jack Sal ist „Gehen" verbunden mit „Erinnerung" – ein Nachgehen der vergessenen Schicksale:

18, während des gestrigen Fußmarsches aufgesammelte Steine wurden von Sal und seiner Gruppe an einem Gleisdorfer Mahnmal abgelegt. Und abschließend hier – im Museum – mit ebenso vielen Steinen, 18, eine Art „Erinnerungsdepot" geschaffen, das sich in den gleichgültigen Zeitfluss der Region senken soll.

Sie sind vergangen, die Schritte, die sie gesetzt haben. Die der Opfer und die der Täter. Aber die Schritte der 18 hallen in Jack Sals Arbeit nach. Wenn man genau hinhört, kann man beginnen, ihnen nachzugehen. – Ihr nachzugehen – der Sprache der Schritte.
Verweisen möchte ich Sie nochmals, auf die von Manuel Preth und Fabian Zerche gedrehte Videodokumentation, weil darin die Aktion Sals behutsam in eine lesbare Form gebracht wurde, ohne den Rhythmus und die Authentizität des Geschehenen zu stören.

(…)

[Textauszug! Der Volltext als PDF-Datei (93 kb)]

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