kunst O.ST: aktuell #23

Die Idee der Solidarregion im Kontext der globalen Herausforderung
Von Gero Jenner

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Freunde,

für die Gelegenheit, die Verleihung des Solidarpreises mit einigen einleitenden Worten zu versehen, möchte ich mich bedanken. Ich denke, die Wahl ist dabei auf mich gefallen, weil man annahm, dass ich in puncto Globalisierung zunächst mit einer kalten Dusche aufwarte, einer Beschwörung der vielen Gefahren, die heute Solidarität zu einem Gebot der Stunde machen. Mit anderen Worten, ich glaube meine Rolle so verstehen zu können, dass ich unter Ihnen erst einmal für den nötigen Schrecken sorge, damit Sie anschließend der Notwendigkeit jener Zeugnisse von Solidarität umso aufgeschlossener gegenüberstehen, die hier mit Preisen geehrt werden sollen.

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Dieser Aufgabe, zunächst einmal für eine kalte Dusche und Schrecken zu sorgen, werde ich mich in einem für zartbesaitete Ohren vielleicht eher schwer erträglichen Maße entledigen. Tatsächlich sind die unseren gegenwärtigen Lebensstandard, ja unseren gegenwärtigen Lebensstil bedrohenden Tatsachen schlicht beängstigend. Und gerade weil sie es sind, und weil der Schrecken lähmt, zumal wenn es keine einfachen Perspektiven des Auswegs gibt, wird Ihnen gewöhnlich so wenig davon gesagt. Ruhe ist die eben die erste Bürgerpflicht. Solange es irgend möglich ist, zieht man es vor, Beunruhigendes zu verdrängen.

Dabei ist Solidarität heute das vorrangige Thema, das einzige, das einen Ausweg verheißt. Unter Solidarität verstehe ich ein verändertes Verhältnis zum Menschen ebenso wie zu allem übrigen uns umgebenden Leben, also auch zur Natur. Solidarität mit dem anderen Menschen bedeutet die Errichtung eines sozialen Umfelds, in dem sich alle zu Hause fühlen. Solidarität mit der Natur heißt Umwelt, in der wir dauerhaft und möglichst gut leben können. Hier sprechen wir gewöhnlich von Nachhaltigkeit.

Fangen wir an mit der Natur:
Wir wissen, dass von Solidarität hier nicht länger die Rede sein kann. Die Wissenschaft hat das nützliche Konzept des ökologischen Fußabdrucks geschaffen. Bis zum Beginn der fossilen Zeitenwende vor dreihundert Jahren hat die Menschheit durch ihre physischen Bedürfnisse weniger vom Planeten verbraucht, als dieser ihr durch nachwachsende Güter Jahr um Jahr zur Verfügung stellte. Der globale ökologische Fußabdruck der Menschheit war bis dahin also kleiner als ein Planet. Wenn der Mensch Wild erlegte oder Getreide pflanzte, so wandte er dafür weniger Energie auf, als er in Form von Nahrung zurückerhielt.

Vor Beginn der fossilen Epoche hätte sich ein Wissenschaftler nicht einmal vorzustellen vermocht, dass es jemals anders sein konnte. Doch tatsächlich ist es ganz anders gekommen. Während der letzten dreihundert Jahre hat die Menschheit zu ihrem Erstaunen entdeckt, dass der Globus eine Schatzkammer ist, reich gefüllt mit energiehaltigen Stoffen in festem, flüssigen und gasförmigen Zustand. Mit einem Schlag wurde das bis dahin gültige eiserne Gesetz abgeschafft, wonach uns unsere Nahrung mehr Energie liefern muss, als wir vorher zu ihrer Gewinnung verausgabt haben. Seitdem können wir zehn Energieeinheiten bei der Erzeugung verwenden, auch wenn wir nur eine einzige davon zurückerhalten.

Die unterirdischen Schätze machen es möglich. Tatsächlich besteht heute im Schnitt etwa dieses Verhältnis: 10 Energieeinheiten input sind nötig, um eine Energieeinheit output zurückzugewinnen. [...]

TEXTAUSZUG!
(Volltext hier als RTF-Datei, 40 kb)


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