Verlockend? Der Wein stand am anderen Ende des Tisches. Ja, auch Wasser.
Zu welchem Anlaß? Kino! Genauer: Meisterwerke des Filmes.
Ich hatte mir vorgenommen, daß die INHALTLICHE Arbeit für "kunst O.ST" auch
leibliche Aspekte berühren müsse. Das war hier keineswegs frisch entdeckt. Voriges Jahr
ist ein Picknick
auf dem Weizberg für uns Gelegenheit gewesen, den leiblichen Freuden nachzugehen und
dabei auch gleich einander mehr von den jeweils eigenen künstlerischen Arbeiten zu
zeigen. Nun war ein "Indoor-Picknick" fällig, denn draußen mangelte es am
schönen Wetter.
Aber das leuchtet doch ein, hm? Ästhetische Erfahrungen und Debatten über das Erlebte
können für künstlerische Wege recht fruchtbar sei. Das schließt eben auch die
Betrachtung cineastischer Kunstwerke ein. Die Stadt Gleisdorf bot uns einen angemessenen
Arbeitsraum mit entsprechendem Equipment, so daß wir uns nicht um einen TV-Bildschirm
drängen mußten. Wir waren zusammengekommen, um uns Marcel Carnés Epos "Kinder des Olymp"
anzusehen. Und um es unmißverständlich darzulegen:
Das Picknick fand nicht vor oder nach dem dreistündigen Film statt,
sondern währenddessen ... die ganze Zeit. Na freilich geht das! Bei etwas
Achtsamkeit in den Bewegungen verträgt sich sowas problemlos mit der laufenden
Filmvorführung. Das fast buddhistische Konzentrationsgebot (still sitzen, aufpassen, sich
ganz EINER Sache widmen) kann durchaus gelegentlich suspendiert werden.
Der bürgerliche Kulturkanon ist da strenger, doch wenn wir unter uns sind, darf die
Krawatte eben gelockert werden. Die nächste Station wird Luchino Viscontis Drama "Rocco und seine Brüder"
(1960) gewidmet sein. (Achtung! Ein Drama ist nicht unbedingt eine Tragödie, es kann auch
eine Komödie sein; aber dieses Drama ist unterm Strich dann doch eine Tragödie.)
Neben der soliden Inhaltsarbeit zur Bereicherung unserer ästhetischen und emotionalen
Kompetenzen ist freilich auch Praxisarbeit unverzichtbar. (He! Man muß diesen Abschnitt
nicht ganz so ernst nehmen, gell! Viele von uns tragen gar keine Krawatten. Naja,
eigentlich tragen, soweit ich mich entsinne, alle unter uns keine Krawatten. Was ein
bisserl geschraubt klingt. Ich geb's zu. "Alle unter uns keine..." könnte auch
mit "niemand" ausgedrückt werden.)
Also! Praktische Arbeit! Was man da oben sieht, ist keine Kasimir-Malewitsch-
Paraphrase. Es ist vielmehr die "Blindhängung" von Malerin Herta Tinchon,
welche ihr Set für das Festival "pomale" schon einmal vor Ort überprüfen
wollte, aber mit ihren Bildern noch nicht fertig war. Also hängte sie weiße Leinwände
im passenden Format, um herauszufinden, ob ihr Hängungsplan etwas taugt. (Die richtigen
Motive konnte sie sich dabei ja gut ausmalen! Ha! Ausmalen!)
Man hat nämlich gelegentlich allerhand zu grübeln, wenn eine Vernissage näher
rückt. Wie es auch (von links) Renate Krammer, Linda Maria Schwarz und Elfi Scharf
ergangen sein mag. Das Grübeln rechnen wir forsch dem Genre der "Konzept-Kunst"
zu, auf die Art wird dann sowieso fast alles, was wir tun zur Kunst.
Auch wieder so ein kleiner Scherz. Die Neigung, sich selbst sogar im kleinsten und
banalsten Tun in den Zustand der Kunst einzuschreiben, ist mutmaßlich an der Kategorie
"Gesamtkunstwerk" orientiert, woraus zu folgern wäre: "Ich bin ein
Gesamtkunstwerk!", wie man das etwa von Dieter Bohlen oder anderen Boulevardgrößen
kennt.
Diese Neigung verdankt sich aber eigentlich vergangenen und feudalen Zeiten, wo
"Gottesgnadentum!" waltete. Wie einst der Souverän, der Kaiser, eben ganz
Majestät war, selbst auf dem Topfe sitzend, keine Frage!, muß nach Abschaffung solcher
Majestäten plus Entthronung kirchlicher Autoritäten nun eben "Der Künstler"
diese Weihestätte, diesen Bedeutungsraum betreten, ausfüllen, und zur neuen Majestät
werden. ... Quatsch!
Wir arbeiten sehr konzentriert, wenn's zu arbeiten gilt. Das tun freilich andere auch.
Denn sonst würde sich ein Kunstfestival quer durch die Region nicht ausgehen. Hier sieht
man Sigrid Meister und Winfried Kuckenberger von der Stadtgemeinde Gleisdorf, ebenso mit
Grübeln beschäftigt. Es blieb kein Zweifel, das Grübeln der beiden war uns nichts
weniger wertvoll, als das Grübeln im erklärten Kunstkontext.
So konnte dann am 12. April das Festival "pomale" in Weiz eröffnet werden,
was einerseits Richard Ludersdorfer mit seiner Gruppe und Bert Brecht leistete,
andrerseits die Dichterin Gertrude Grossegger mit einem eigenen Text.
Die DOKUMENTATION des festivals
"pomale, in der viele schöne Momente des Verlaufes festgehalten sind, ist inzwischen
online. Übrigens! In dieser Geschichte mit dem Sarg hat das künstlerische Konzept von
der Realität eine zutiefst irritierende Wendung
aufgezwungen bekommen. Davon wird noch zu erzählen sein.
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