kunst O.ST
oder: Jenseits vom Neandertal
Interview mit den Künstlern Walter Kratner und Martin Krusche. Beide sind
federführend in der Entwicklung von kunst O.ST.
Von Max Klammler
Da unsere Gesellschaft von Kinsum und Kommerz dominiert wird, möchte
die Solidarregion Weiz vor allem kreative und geistige Lebensbereiche betonen. Insofern
ist auch Gegenwartskunst ein wichtiger Bestandteil dieses Bestrebens.
Was würden Sie Menschen ohne speziellen Zugang auf die Frage
antworten, wozu "moderne Kunst" gut sein soll?
Krusche: Viele Menschen glauben, die Befassung mit Kunst sei der Freizeit
und Dekoration gewidmet. Das halte ich für ein schweres Missverständnis. Denn ohne die
Kompetenzen, um die es dabei geht, wären wir immer noch im Neandertal. Im Zentrum steht
die menschliche Fähigkeit zum symbolischen Denken, die man vereinfacht gesagt beim
Steineklopfen nicht bekommt.
Kratner: Zeitgenössische Kunst bietet auch die Möglichkeit,
gesellschaftliche Zustände widerzuspiegeln, die im politischen Diskurs untergehen. Etwas
pathetisch gesagt: Kunst kann das Leid, oder die Wut des Menschen über die bestehenden
Verhältnisse zum Ausdruck bringen. Auf jeden Fall versucht die Kunst aber eines: ihre
Zeit abzubilden.
Als Kulturinteressierter hat man den Eindruck, dass in der Region
im letzten Jahr einiges in Bewegung gekommen ist
Krusche: Zum Glück! Gleisdorf und Weiz glänzten jahrzehntelang in der
Vermeidung von wechselseitiger Verständigung - siehe Landesausstellung 2001. Denn unsere
ganze Kultur ist stark auf Konkurrenzkampf getrimmt. Pointiert formuliert musste man nach
Linz fahren, um einen Künstler zu treffen, der aus Weiz stammt und das ist lächerlich.
Aber neuerdings machen wir zumindest im Kunstbereich die überraschende Erfahrung, dass
Verständigung Sinn macht und was bringt.
Kratner: In der bildenden Kunst ist manchmal sehr stark ausgeprägt,
andere künstlerische Positionen als Verdrängung der eigenen wahrzunehmen. Doch der
neuerdings positive Eindruck stimmt auch für mich. Anstoß für eine intensive
Zusammenarbeit zwischen einzelnen Künstlern bildete eine Initiative der Solidarregion,
die ins nächste Jahr weist.
Von Vorteil ist dabei wohl auch das gute Zusammenspiel von
Kunstschaffenden und Politik in der Region.
Krusche: Ein wahres Wort! Im Allgemeinen haben Künstler das Image,
weltfremde und planlose Träumer zu sein. Wir haben mit der gemeinsamen Bewerbung für die
Regionale 08 gezeigt, dass wir Kulturschaffenden professionell auf der Höhe der Zeit
arbeiten können.
Kratner: Erfreulich an diesem Konzept war der Umstand, dass sich die
Politik inhaltlich in keiner Weise eingemischt hat. Besonders zielführend war der Wunsch
der Bürgermeister Kienreich und Stark und der Kulturreferenten, über die Einreichung
hinaus ein Konzept zu erstellen, dass für die Region weiter wirken soll.
Krusche: Ganz wesentlich für die Gleisdorfer Situation ist, dass die
Kunst aus Fraktionskonflikten der Stadtparteien herausgehalten wird. In Winfried
Kuckenberger, dem Leiter des Kulturbüros haben wir zudem einen höchst professionellen
Kooperationspartner.
Nach der Bewerbung für die Regionale 08 ist jetzt kunst O.ST
entstanden. Was verbirgt sich eigentlich hinter diesem Titel?
Krusche: Primär treffen sich dabei Kunstschaffende der Region
regelmäßig an jeweils wechselnden Orten. Die Arbeit dient dazu, unsere Bedingungen zu
verbessern und neue Projekte zu entwickeln. Durch die Konzentration ergibt sich auch ein
repräsentatives Abbild der Region.
Kratner: Mit der Ausstellung "next code: flow" im Kulturkeller
am Weizberg wurde ein erster Schritt in diese Richtung getan, wobei es vor allem um eine
künstlerische Positionierung in einem größeren Kontext ging. Für April 2008 ist eine
gemeinsame Kunstaktion geplant, die an verschiedenen Orten der Region stattfinden wird.
Kunst O.ST zeigt sozusagen erste Früchte und ich denke, dass wir uns noch einiges
erwarten dürfen.