(kunst ost: kulturspange) notizen #1

Querdenken
Von Horst Fickel

Input zu
"Kunst Wirtschaft Wissenschaft"
am 18. November 2011
auf Schloss Hainfeld

Ich möchte hier Gedanken und Auszüge eines Interview von Prof. Erich Felbermeier zitieren der das Institut für Querdenkertum und Innovation in Hamburg gegründet hat. Das Denken muss die ausgetretenen Pfade verlassen! Doch das allein reicht nicht. Dazu gehört das aktive Handeln und Umsetzen. Denn Innovation ist Erfindung plus Anwendung. Um dem auf die Sprünge zu helfen, braucht es in Unternehmen interdisziplinäre Dolmetscher und Quervernetzer, die durch Patenschaften von "Kreativen" für frischen Wind sorgen. Abseits der Hierarchie. Quer eben.

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Querdenken heißt:

Etwas anderes denken und anders machen als es bisher im Allgemeinen gedacht und gemacht wurde. Das Denken muss Sprünge machen! Oder soll man sagen, erforderlich ist eine vollständige Neu-Erfindung des Denkens?

Anders denken heißt denken abseits der ausgetretenen Pfade?

Denken abseits der ausgetretenen Pfade ist nötig - nötig sind vor allem aber das Ausprobieren und das Zulassen von Fehlern! Immerhin ist die Weiterentwicklung aus zufälligen Fehlern die Basis der Evolution: trial and error. Kinder lernen so das Laufen. Jugendliche grenzen sich so von den Eltern ab. So lernen wir Neues. Entscheidend daran ist der Fehler, danach erst kommt die kontinuierliche Verbesserung, zum Beispiel von Individuen, Organisationen und Produkten - also das, was im Wissensmanagement unter Best Practice bekannt ist. Bei Best Practice handelt es sich also gerade nicht um Innovation. Diese entsteht erst durch Lernen aus Fehlern und tatsächlichen Verhaltensänderungen. Oder: Innovation ist gleich Erfindung plus Anwendung. Das heißt wiederum: Dazu gehört das aktive Handeln und Umsetzen. Denn Denken ohne Handeln ist sinnlos, langweilig und frustrierend.

Was bedeutet das ganz konkret für uns, für Unternehmen?

Vor allem im betrieblichen Umfeld gibt es praktisch keine Fehlerkultur. Fehler werden vertuscht und bestraft, wenn man sie entdeckt. Es erscheint als ganz normal, dass Fehler nicht belohnt werden - doch betriebswirtschaftlich wäre das lukrativer, als dieselben Fehler noch mal zu machen! Die Konsequenzen werden sich im nächsten Jahrzehnt in dramatischem Umfang zeigen, wenn ganze Generationen ihr Erfahrungswissen mit in die Rente nehmen. Denn dann werden Fehler gemacht, deren Lösungen in den Köpfen der Weggegangenen sind. Wissen ist Information plus Bewertung, und das bleibt nicht - und schon gar nicht automatisch - in einer Organisation erhalten. Was aber kleben und erhalten bleibt wie Pech, das sind Strukturen, zeitliche, räumliche und Mentalitätsmuster. Aber Innovation gibt es nicht, ohne etwas Neues zuzulassen, das heißt ohne Veränderung. Alle reden von Innovation, aber ändern sollen sich zuerst die Anderen, das ist das - organisationspsychologisch lösbare - Problem!

Querdenken ein freies Denken oder gibt es Methoden und Regeln?

Querdenken ist ja sozusagen die angewandte Bionik der Evolution. Ansonsten halte ich es mit dem gesunden Menschenverstand und versuche nicht ein kryptisches Drei-Buchstaben-Kürzel als alleinseligmachendes USP - Alleinstellungsmerkmal - zu erfinden und zu verkaufen. Nehmen Sie sich einfach Freiheit und Zeit, zugegeben der größte Luxus heutzutage.

Der zweite Begriff ist Innovation. Da sind sich alle einig: Es gibt zu wenig davon. Woran liegt das? Warum haben Innovationen es so schwer und innovative Menschen einen so schweren Stand?

Innovative und kreative Leute haben meist eine Macke, das weiß man aus vielen Beispielen der Menschheitsgeschichte. Wenn es um Künstler geht, akzeptiert man das - im Betrieb hingegen bleibt jeder Gspinnerte sozial isoliert. Folglich versucht sich jeder Mensch aus sozialen Gründen einer Gruppe anzuschließen und beginnt, dieser Gruppenmeinung gemäß zu denken und zu handeln. So entstehen selbstreferentielle Zirkel.

Ein einfaches Beispiel: Sie kritisieren den Chef - und können sich gleich einen anderen Job suchen. Der Überbringer der schlechten Nachricht wird bestraft, das ist nichts Neues. Doch die Wirkung solcher Botschaften ist verheerend innovationsfeindlich, denn Menschen glauben an die gelebten Werte, nicht an die verkündeten! Die sind handlungsleitend, nicht die Dampfplauderei! In unsicheren Zeiten, in fortgeschrittenem Alter oder wenn sie Karrierepläne hegen, unterlassen die Menschen Kritik, richten ihr Fähnlein nach dem Wind und geben ausschließlich erwünschte Informationen nach oben. Nur durch Vertrauen und Zugehörigkeit kann man innovationsfreundliche Bedingungen schaffen. Aber die dramatische Abwertung des Anderen - anderen Denkens, anderer Disziplinen, anderer Abteilungen - ist erschreckend und blockiert Innovationen.

Die Lösung?

Es bedarf der Einsicht, dass man Werkzeuge, Menschen und Methoden aus anderen Disziplinen braucht, um in seiner Arbeit effektiv sein zu können. Wenn die Motivation fehlt, ständig neu zu lernen, dann ist das Scheitern der Komplexitätsbeherrschung vorprogrammiert. Das ist die individuelle Voraussetzung - in der Zusammenarbeit mit anderen braucht es vor allem ein Dolmetschen zwischen den Fachbereichen und den Menschen, die überhaupt nicht mehr wissen oder verstehen, warum andere tun, was sie tun. Und schon gar nicht, welche Auswirkungen das für sie selbst hat. Kurz gesagt: zusammenarbeiten, dolmetschen, Brücken bauen!

Wie kann man das ganz konkret leisten? Wie lässt sich die notwendige Vielfalt der Denk- und Lösungsansätze herstellen?

In der Aufmerksamkeitsökonomie zählt Aufmerksamkeit, also versuchen viele, sich persönlich besser zu vermarkten. Die Frage ist nur: Kann es sich ein Unternehmen - beziehungsweise wir als Gesellschaft - leisten, dass alle Techniker, Naturwissenschaftler und Künstler bis zu zwei Drittel ihrer Arbeitszeit in Selbstmarketing und Kommunikation stecken? Die meisten dieser kreativen Geister lehnen im Grunde ihres Herzens dieses Gequatsche und die Zehn-Minuten-PowerPoint-Darstellungs-Wissenschaft leidenschaftlich ab. Es handelt sich ja weder um Kommunikation noch Information noch Didaktik! Außerdem befördert diese Meetingkultur Fehlinformationen nach oben und fördert Gruppendenken. Das ist ein Irrweg! Die Lösung sind interdisziplinäre Dolmetscher und Quervernetzer mit Lebenserfahrung, die außerhalb der Hierarchie-Gockeleien durch Patenschaften von "Kreativen" für Innovation und frischen Wind sorgen.

Aus diesem Grunde haben wir eine Plattform für Kunst, Wissenschaft und Wirtschaft ins Lebens gerufen um dieses Querdenken für Innovation zuzulassen. Wir möchten das Dolmetschen, Fehler zulassen und Querdenken gemeinsam fördern um neue Ansätze für Innovation für alle zu finden.

Ich möchte Sie alle einladen daran teilzuhaben und teilzunehmen.

Springen Sie mit uns und Denken Sie Quer.

Die Veranstaltung: [link]


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