Ich komme gleich auf einen bestimmten Punkt: Das
"städtische Leben" zeigt kulturell -- auch in der sogenannten
"Provinz" -- immer wieder zwei markante Positionen:
+) Die eine könnte mit "Alles Karajan!" vorgestellt werden.
+) Die andere mit "Es bellen die Rebellen".
Zwei Attitüden, die zwischen Kunstschaffende und Publikum eine sehr große Distanz
einschieben, wenn sie alles bleiben, was vorzufinden ist.
Faktum ist:
Es gäbe die ganze Kunst des 20. Jahrhunderts nicht annähernd in der Form wie wir sie
kennen, hätte jenes ökonomisch erfolgreiche Bürgertum gefehlt, das dann auch über
Muße, Zeit und Mittel verfügt(e), sich der Gegenwartskunst zuzuwenden.
Weder die "alten Eliten" (Adel und hoher Klerus) noch die
"neuen Bohemiens" hätten so ein weites Feld bereiten können, auf dem wir uns
heute bewegen dürfen.
Ich habe nun einige Jahre Erfahrung damit, was in einer Stadt --
Gleisdorf -- möglich wird, wenn inspirierte Personen aus drei Sektoren sich verständigen
und gelegentlich zusammengreifen.
Die "Drei Sektoren" sind ein Denkmodell, kein reales Abbild
gesellschaftlichen Lebens. Aber dieses Denkmodell hilft uns, manche Aspekte zu ordnen. Staat,
Markt und Zivilgesellschaft, das meint
1) Politik und Verwaltung,
2) Wirtschaftstreibende und
3) Privatpersonen.
Aufgrund der konkreten Vorgeschichte in der Stadt haben wir nun im
Zentrum von Gleisdorf eine reale STRECKE in Form eines L markiert. Diese Strecke wird
"als Bühne" längerfristig bespielt werden.
Die "Basis-Crew" für diese Geschichte ist ein Quartett. Auf
diese Geschichte lassen sich mit mir zwei Gleisdorfer Geschäftsfrauen ein, Katharina Mayr
(links) und Barbara Lukas. Mayr steht quasi am süd-östlichen Ende des "L",
Lukas am westlichen Ende.
Als dritte ist Kunsthistorikerin Sigrid Meister mit im
Boot. Sie repräsentiert als Kustodin des "Museum im Rathaus" ("MiR")
und Mitarbeiterin des Gleisdorfer "Büro für Kultur & Marketing" den
"Sektor Staat", Mayr und Lukas den "Sektor Markt", ich stehe für den
"Sektor Zivilgesellschaft".
Das mag für das werte Publikum völlig nachrangig sein,
hat aber kulturpolitische Relevanz. Denn diese Kooperationsebene, ist wichtig und in der
Region bisher nicht erprobt. Außerdem sind wir uns einig, nicht von den Fragestellungen
auszugehen, die sich aus Tourismus- und Marketing-Agenda ergeben, sondern wir gehen von
kulturellen Anliegen aus.
Ich stütze mich dabei allerdings auch auf
eine Zusammenarbeit mit einer regionalen Ebene und mit einer Landesebene. Ich habe hier
als erster in der Steiermark ein Kunstprojekt
im LEADER-Kontext realisieren können, ein EU-Förderprogramm, das im Grunde kein
Kulturprogramm ist, sondern der ländlichen Wirtschaft gewidmet: LEADER steht
französisch für "Liaison entre actions de développement de l'économie
rurale", deutsch: "Verbindung zwischen Aktionen zur Entwicklung der
ländlichen Wirtschaft".
Während Kunst also anderweitig oft noch als Dekorationsgeschäft
betrachtet wird, als Wellness-Angebot und soziokulturelles Kuschelereignis, habe
wir hier nun einen Status quo erreicht, der die Kunst in ihren eigenen Agenda betont, bei
dem aber auch nach den Rahmenbedingungen gefragt wird, nach Lebensumständen, nach der
Alltagskultur, nach Zusammenhängen, innerhalb derer sich Kunst ereignet.
martin krusche