Vom künstlerischen Handeln
Von Mirjana Peitler-Selakov
1. Was macht künstlerisches Handeln aus und wie unterscheidet es sich vom
alltäglichen Handeln?
2. In welchem privaten bzw. gesellschaftlichen Lebensbereich kann es sich manifestieren?
3. Wenn aus dem künstlerischen Handeln als resultierendes soziales Phänomen
Kommunikation entsteht, stellt sich die Frage, welche Rolle sie innerhalb einer
Gesellschaft spielt.
In der Kunst spielt der Aspekt des Handelns eine wesentliche Rolle.
Kunstwerke können im Ganzen als komplexer Handlungszusammenhang beschrieben werden.
Kunstschaffende handeln bewusst und das, was sie künstlerisch produzieren, kann als
Resultat ihrer Erfahrungen und ihres aktiven Tuns bezeichnet werden. So wird erst durch
diese Handlungen die Kunst manifest. Da hier der Handlungsaspekt stark hervorgehoben ist,
gerät dabei die darstellende und repräsentative Komponente der Kunst in den Hintergrund.
Das hat den Vorteil, dass die Kunst dann andere Funktionen übernehmen kann. Sie ist nicht
mehr in einem darstellend-repräsentativen Verhältnis zur Lebenswelt, sondern kann als
welterzeugend! verstanden werden.
Aber das künstlerische Handeln ist nicht gleich dem alltäglichen Handeln.
Diese Möglichkeiten gehören unterschiedlichen Lebens- und Erfahrungswelten an. Ein
Künstler oder eine Künstlerin erzeugt eine Konstruktion, eine ästhetische Lebenswelt,
deren Manifestation sich durch sein, beziehungsweise ihr künstlerisches Handeln
gleichzeitig vollzieht. Die Aufgabe Kunstschaffender besteht also darin, aus den Gedanken-
und Handlungsspielräumen eine eigene ästhetische Lebenswelt aufzubauen und zu gestalten.
Das Denken, die Entwicklung von Ideen und Vorstellungen, ihre Zusammenfassung
in Konzepten und auch die spontanen Gesten gehören ebenso wie das Werk zu dieser
ästhetischen Lebenswelt. Mit all dem können Kunstschaffende etwas bewegen und auf ihre
Umwelt einwirken. Eine so geschaffene ästhetische Lebenswelt ist aufgrund der
Veröffentlichung des Kunstwerks in der Gesellschaft keine Privatdomäne der
Kunstschaffenden mehr, sondern ein Erlebnisraum, der anderen prinzipiell zugänglich ist.
So gesehen kann sich Kunst in allen gesellschaftlichen Bereichen
manifestieren. Selbstverständlich spielen hier ästhetische Erfahrungen eine wichtige
Rolle, die jeder Mensch machen kann, der sich darauf einlässt. In der Interaktion kann
prinzipiell jede Erfahrung eine ästhetische Erfahrung werden, das heisst, ästhetische
Erfahrungen können beinahe in allen Kontexten erzeugt werden. Das gelingt aber nur unter
der Voraussetzung, dass man sich vom zweckgerichteten Handeln löst. Denn zweckgerichtetes
Handeln gewährt einem nur, jene Dinge zu sehen, die dem Gebrauch dienen.
Der Begriff Ästhetische Erfahrung" sollte weit über den engeren
Bereich von Kunstgegenständen hinaus verstanden werden. Ästhetik bezieht sich auf
Wahrnehmung und die unterschiedlichen Wahrnehmungsweisen. So kann man sagen, der Ästhetik
geht es auch um die Thematisierung des Anderen; sowohl anderen Menschen, als auch die
Begegnung mit dem, was einem fremd ist. Wenn wir die ästhetische Erfahrung als eine nie
abgeschlossene, unbestimmte Suche nach dem Unbekannten verstehen und praktizieren
könnten, wäre es möglich, mit ihre Hilfe Menschen in hohem Maße für die Umwelt zu
sensibilisieren, sowie auch andere Wahrnehmungen zu zulassen.
Aus dem künstlerischen Handeln lässt sich auch die zwischenmenschliche
Kommunikation als daraus resultierendes soziales Phänomen ableiten. Der
mythologische Raum" im Menschen und der Raum draußen" sind nicht
voneinander zu trennen. Zwischen diesen beiden Raumsituationen gilt es zu vermitteln. Die
Diskrepanz zwischen Innenwelt und Außenwelt ist der Ausgangspunkt und ist Bedingung
menschlicher Kommunikation, ein Feld, wo das künstlerische Handeln zu Geltung kommen
kann.