kunst O.ST: zur debatte gestellt (seite #5)

Phrasendrescherei und Datenüberfluß
(Geschwätzigkeit als Anästhesie des Geistes)

Das Sprechen ermöglicht uns ein Ausdrücken unserer Gedanken und Emotionen. Es ist aber auch umgekehrt. Wortschatz und Sprachregelungen wirken prägend auf das Denken. Unsere Sprache bestimmt den jeweiligen Denkhorizont mit.

Dieser Zusammenhang bietet „Werkzeuge“ an: Durch gewisse Ausdrucksweisen sollen gewisse Stimmungen erzeugt werden. Überprüfen Sie es selbst. Entstehen unterschiedliche Emotionen, wenn wir erfahren, daß Menschen gefeuert, rausgeschmissen, gekündigt oder abgebaut werden? Haben wir noch konkrete Menschen vor Augen, wenn etwa ein „Personalstand reduziert wird“?

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Jeder Text hat seinen Kontext und Subtext. Das bedeutet, im Schreiben wird auch mitgeteilt, was zwischen den Zeilen steht, was mitschwingt und was allenfalls verborgen werden möchte. Menschen sammeln laufend Erfahrungen, worin der Unterschied zwischen Feststellungen und Andeutungen liegt.

Das „Unausgesprochene“ kann zum Genuß oder zur Falle werden. Es gäbe beispielsweise ohne solche Optionen keine große Lyrik, es könnte aber auch kein Betrüger seine Opfer um den Verstand reden. Propaganda und Werbung spielen sich genau zwischen solchen Polen ab.

Die gute Nachricht lautet dabei, daß wir ohne dieses Unscharfe, Wandelbare, Dynamische vermutlich unter uns keine feinere Kommunikation zustande brächten. Das Eindeutige ist meist zu eng für lebendige Beziehungen. (Das gnadenlos Eindeutige ist ein Geschäft der Tyrannis.)

Etwas polemisch ausgedrückt: Wie eine Droge kann eben auch die Sprache nützen, erfreuen, berauschen, heilen, zerstören, töten. Der Sprachgebrauch muß folglich an Fragen der Verantwortung gekoppelt bleiben. Wer sich dabei Kritik einhandelt, wird mit einem „Das hab ich nicht so gemeint!“ kaum genügen können. Damit will ich sagen: Wer Deutungs-Eliten angehört, wer bevorzugte Zugänge zu Medien und zur Meinungsbildung hat, muß sich stets fragen lassen, in welchem Zusammenhang Denken, Sprechen und Tun stehen.

Anders ausgedrückt: Wer immer die Öffentlichkeit medial bespielt, sollte und muß mit Einwänden, mit Widerspruch rechnen. Darauf kann in keiner Demokratie verzichtet werden. Deshalb wünsche ich mir auch, daß wir Bürgerinnen und Bürger die notorische Phrasendrescherei zurückweisen. In einer professionellen Geschwätzigkeit erreicht uns dieses Rauschen tagtäglich.

Ein Zermürben des Verstandes und das Betäuben der Sinne durch einen Sturm von Scheininformationen und trüben Mitteilungen sollten wir erkennen und ablehnen können. Das verlangt nach neuen kulturellen Kompetenzen, die allerdings an alten Anforderungen anschließen. Wir sind also nicht völlig auf Neuland geworfen.

In der Frage, wie aus Untertanen Bürgerinnen und Bürger werden, haben meine Großeltern noch an jenen Prozessen teilgenommen, die erst der Auftakt waren, um eine weitreichende Partizipation möglichst der ganzen Bevölkerung am kulturellen und politischen Leben zu erwirken. Das ist eines der Kernereignisse dessen, was wir uns unter einer Demokratie vorstellen dürfen.

Zu dieser bedeutenden politischen Entwicklung einer Gesellschaft gehört eine grundlegende Kompetenz, deren Besitz vielen Menschen selbstverständlich erscheint; was sie sie nicht ist. Nämlich: Literarität. Also die Fähigkeit, einen Text nicht nur zu lesen (entziffern), sondern auch zu verstehen (deuten) und das Verstandene in den individuellen „Wissensschatz“ einzuordnen.

Das ist eine höchst anspruchsvolle Tätigkeit der Menschen. Sie wird durch Phrasendrescherei und Datenüberfluß erschwert, gestört, getrübt. Scheinmitteilungen belasten diese soziokulturellen Vorgänge. Das Raunen und Flüstern, diese Angeberei, um damit leere Worthülsen als geschwollene Container-Sätze in unser aller Alltag zu wuchten, um Bedeutung zu simulieren, wo aber keine ist, hat die Qualität eines kraftvollen Störsenders.

Ich gebe ein vergleichsweise harmloses Beispiel, um deutlich zu machen, was ich meine. Auf dem Florianiplatz in Gleisdorf sah ich diesen Sattelzug stehen. Wenn ich mich recht erinnere, wurde damit Mobiliar für das eben renovierte Rathaus angeliefert. Eine Firmenaufschrift wäre das Erwartbare. Doch dann diese kleine Geschwätzigkeit: „Möbel für Menschen“.

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Was heißt denn das? Bauen sich auch Tiere ihre Möbel und müssen daher jene für Menschen eigens betont werden? Sinnleeres Geblöke, das so tut, als habe es uns etwas mitzuteilen. Schutt aus der professionellen Phrasendrescherei. In Summe umgibt uns solches Geraune stets. In Texten, Bildern und Tönen. Wie die unerträgliche Hintergrundmusik, die von ungezählten Wirten andauernd abgespielt wird, ohne daß mir bekannt wäre, wer das bestellt hat.

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Ein anästhesierendes Hintergrundrauschen der Wohlstandsgesellschaft, das Sinne, Verstand und Emotionen trübt. Genau das ist der Hauptgegenstand dieser kulturellen Attacke: Narkose.

Machen Sie die Probe aufs Exempel. Versuchen Sie einmal, wenigstens einen halben Tag lang jene auf Sie einströmenden „Scheininformationen“ auszuwerten. Was wissen Sie dann? Was haben Sie erfahren? Womit haben Sie da Ihre Zeit und Aufmerksamkeit verbraucht?


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