kunst ost (2050) glosse #12

Die Holde und die Kunst
(April 2013)

Kürzlich schrieb mir eine Frau: „fakt ist, kein mensch BRAUCHT kunst, kunst ist luxus. genauso wie ein fettes auto oder ein urlaub.“

Na, den Bücherschrank der Dame möchte ich gerne sehen. Spaßig an dieser Mitteilung: Die Frau wäre gar nicht fähig, solche Kritik vorzubringen oder auch nur zu denken, ohne die Jahrtausende der ausdauernden Praxis in dem, wofür Kunst steht: Das symbolische Denken des Menschen.

Diese Kompetenz war nicht von Anfang an da. Als wir darin noch mehr den Tieren glichen, sind wir nicht fähig gewesen zu abstrahieren. Wir konnten zwar die Vergangenheit leidlich reflektieren, aber nicht in die Zukunft denken. Wir waren auf sehr viel schlichtere Art in der Welt.

Als die Menschheit begann sich zu schmücken und Alltagsgegenstände zu verzieren, sich Fetische zu schaffen, drückte das aus: Nun sind neue Formen entstanden, sich selbst und die Welt wahrzunehmen, mit anderen und der Welt zu kommunizieren.

Wer Kunst für Luxus hält, redet den alten Eliten der Feudalzeit das Wort, stellt sich als Untertan heraus. Adel und Klerus waren nämlich genau dieser Meinung, widmeten sich freilich selbst solchen Möglichkeiten persönlichen Verfeinerung. Sie ließen aber das Volk, fern von Kunstgenuß und Reflexion der eigenen Lage, lieber hart arbeiten, statt daß sich die Menschen mit solchen „Flausen“ befassen durften.

Diese wohlhabenden Nutznießer hätten eben jenem Volk auch jederzeit ausgerichtet, daß Urlaub Luxus sei, der nur ihnen selbst zustünde. Das waren sehr lange Arbeitstage in einem langen Arbeitsleben.

Warum gefallen sich aber Menschen, die an Kunst offenbar kein Interesse haben, so sehr darin, Kunstschaffende anzufeinden, statt einfach ihre anderen Interessenslagen zu genießen? Ich vermute, da muckt der Untertan in ihnen auf.

Freilich nicht gegen den „Herren“, sondern gegen jene, welche sich die Freiheit genommen haben, kulturellen Dingen anzuhängen, von denen uns davor die Herrschaft Jahrtausende fernzuhalten versuchte. Wo kämen wir denn hin, wenn jeder daran ginge, seine Wahrnehmung zu verfeinern, sein Wissen zu erweitern und die Welt zu reflektieren, auch ohne das von Massenmedien vorgekaut zu bekommen?

Martin Krusche

[weg mit der kunst!] [:lebenskonzept]

Publiziert in:
Die Oststeirische, April 2013

glosse.jpg (2380 Byte)


start | home | mail
16•13