kunst ost (2050) glosse #11 Reichtum durch
Fremde
(März 2013)
Sie kennen gewiß die
Klage, wie ich sie kürzlich wieder von einer Frau in einem Leserbrief lesen durfte. Es
gebe in Graz Gassen, da würde man kein einziges deutsches Wort hören. Richtig. Und das
seit Jahrhunderten. Ohne diesen Effekt wäre Graz wohl heute noch ein unbedeutendes Dorf.
Wie ich das meine? Denken Sie an die
einstige Murvorstadt, heute etwa die Bezirke Lend und Gries. Dort wurde stets
erzeugt, gelagert und geliefert, was die gut situierten Bürger am anderen Murufer so
brauchten. Dort waren die Werkstätten, Manufakturen, Fabriken. Das bedeutet, dort
arbeiteten Fachkräfte aus allen Teilen des Habsburger Imperiums.
Durch diesen Stadtteil führte die Post-
und Kommerzstraße, unter Maria Theresias Vater Karl VI. erreichtet, um die
Reichshauptstadt Wien mit dem Hafen in Triest zu verbinden. Das hieß: Gasthäuser.
Stallungen, Lagerräume und viele Reisende.
Dort lebten aber auch Studenten aus allen
Habsburger Landen, denn die Grazer Universität hatte einen ausgezeichneten Ruf. Außerdem
waren in der Murvorstadt stets Soldaten des Kaisers einquartiert. Wo sie heute am
Lendplatz ein Polizeiwachzimmer finden, bestand die erste Kaserne von Graz.
Apropos! Wer waren wohl die härtesten
Burschen im treuen Dienste der Donaumonarchie? Die herausragende Elitetruppe der
Habsburger, die Einheit mit den meisten Auszeichnungen für Tapferkeit, sprachen praktisch
kein Deutsch. Es waren die in Graz stationierten Zweier-Bosniaken, genauer:
Das bosnisch-herzegowinische Infanterieregiment Nr. 2, welches von Oberstleutnant Reinhard
Stradner auf der Website unseres Bundesheeres entsprechend gewürdigt wird.
Was ich mit all
dem sagen möchte? Unser Gedeihen hat nicht erst seit der Globalisierung der Wirtschaft
eine multiethnische Basis. Wir profitieren schon sehr lange davon, daß Menschen aus der
Fremde zu uns kommen.
Martin Krusche
Publiziert in:
Die Oststeirische, März 2013
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