kunst ost (2050) glosse #9

Bitte nicht schubsen!
(
Dezember 2012)

Ob wir ein Volk von Raunzern sind? Das unterschreibe ich sofort. Aber woran mag das liegen? Das Mieselsüchtige und das Depressive könnten dessen Quellen sein. Glaube ich aber nicht. Ich denke, es hat viel mit Bequemlichkeit zu tun.

Um mir über diese oder jene Angelegenheit eine brauchbare Meinung bilden zu können, muß ich mir Zeit nehmen. Das kann zur Arbeit werden, weil einem die Dinge ja nicht in den Schoß fallen.

Da ist es doch bequemer, einfach herumzuraunzen, zu nörgeln, zu meckern. Dazu braucht man keine Argumente, keine Sachkenntnis, keine fundierte Meinung. Das kann bei uns wirklich jeder. Ansatzlos. (Ich natürlich auch.)

Das Blöde dabei, so hebelt man sich selbst aus dem Lauf der Dinge. Die Raunzenden, Nörgelnden, Meckernden können zwar so manchen Ablauf stören oder sogar blockieren, aber sie gestalten nichts. Das bedeutet zwangsläufig, sie bleiben auch mit ihren eigenen Bedürfnissen und Anliegen auf der Strecke.

Ich schicke einen notorischen Plombenzieher lieber in die Wüste, als mich mit ihm gemeinsam auf eine Reise zu begeben. Besonders fatal kann es werden, wenn bequeme Raunzer mit tatendurstigen Machen zusammenkommen; zackzack!

Das ist einer anderen Art der Bequemlichkeit gewidmet. Derlei Macher halten sich gar nicht erst damit auf, daß jemand eine andere Gangart bevorzugen würde. Also was jetzt?

Sie ahnen sicher, wo ich hinziele. Darf Verständigung unter Menschen Zeit beanspruchen? Darf ich jemanden fragen: Was tust du da eigentlich? Darf ich erwarten, daß jemand gewillt ist, sich sachkundig zu machen, wenn ein ernstes Thema anliegt?

Ich erwarte auf solche Fragen stets ein Ja. Damit ist aber klar, solche Art der Verständigung braucht Zeit. Und warum sollten wir diese Zeit nicht finden? Versuchen Sie, jemanden anderen zu schubsen, zu bedrängen, zu überrennen. Mit mir wird das nicht klappen.

Martin Krusche

Publiziert in:
Die Oststeirische, Dezember 2012

glosse.jpg (2380 Byte)


start | home | mail
4•13