+) Der Ausgangspunkt
Eine Wahlkundgebung der FPÖ verlief in Gleisdorf
faktisch ungestört, denn keiner der Redner mußte irgendwann
unterbrechen oder gar abbrechen, wäre gehindert gewesen,
seine Inhalte via Lautsprecheranlage darzubieten.
+) Bierzelt ohne Zelt
Vor der Bühne
herrschte ein traditionelles Setting, das volkstümlich
„Bierzeltatmosphäre“ genannt wird. Ist es möglich, daß eine
einzelne Person in diesem Setting ohne Hilfsmittel eine
Wirkung entfaltet, die Menschen davon abhält, die
angebotenen Inhalte zu rezipieren?
+) Was
ist, kann und soll öffentlicher Raum?
Eine erste
von vermutlich mehreren Gerichtsverhandlungen in Weiz hat
deutlich gemacht: nun geht es um ein paar Grundsatzfragen
des Geschehens im öffentlichen Raum und der Teilnahme am
öffentlichen Leben. Womit haben wir es zu tun?
+) Der Ort
Der Platz. Nacht. Bühne,
Lautsprecheranlage, Scheinwerfer. Tische und Bänke wie in
einem Bierzelt. Alkoholausschank, Grillhuhn-Station. Von der
Bühne (nördlich) bis zur Fahrbahn (südlich) ist der Platz
vor dem Kirchriegel mit Menschen dicht besetzt.
Man
hätte Sesselreihen zur Frontalpräsentation aufstellen
können. Eine Anordnung wie in einem Kino oder Theater. Aber
stattdessen wurden Tische und Bänke aufgestellt, Bewirtung
eingerichtet, Geselligkeit angelegt.
+) Strategisches
Das bedeutet, die
Vortragenden mußten von Haus aus auf einen hohen Lärmpegel
im Publikum eingestellt sein, auf lebhafte Unterhaltung der
Menschen untereinander, auch auf Trunkenheit einzelner
Leute. Daher war nicht bloß eine leistungsfähige
Lautsprecheranlage in Betrieb. Ein erfahrener Redner wie
Herbert Kickl weiß natürlich, daß er seinen Vortrag gut
strukturieren und mit kräftigen Pointen versehen muß, damit
sein politisches Anliegen rezipiert werden kann.
+) Ordnungsfragen
Wie schon in
vergangenen Jahren Hace Strache in Gleisdorf scharfe Töne
angeschlagen hat, war auch von Kickl eine harte Gangart zu
erwarten. Aber selbst ohne einen so pointierten Redner
hätten die FPÖ wie auch der Staat Ordnungskräfte in Stellung
gebracht.
Eine politische Partei ist auf Gegenstimmen
angewiesen, um das eigene Profil zu verdeutlichen. Dieses
Schärfen des Profils ist einer der Gründe für eine
aggressive Wahlkampfrhetorik. Wer bestaunt, daß es bei einer
öffentlichen Veranstaltung zu Zwischenrufen kommen kann,
bestaunt auch, daß das Wasser naß ist.
+)
Ablenkung oder Störung?
Soll für eine Minute
geschwiegen werden, macht das deutlich, wie lang eine Minute
sein kann. Es macht Arbeit, jemandes Aufmerksamkeit für eine
Minute zu binden. Wer bei einer Wahlkampfveranstaltung der
FPÖ eine Minute lang abgelenkt war, ist erheblich gestört
worden und konnte die dargebotenen Inhalte nicht rezipieren?
Haben Sekunden der Ablenkung derlei bewirken können?
+) Öffentlicher Raum
Auch wenn der Staat
sich vorbehält, das Verhalten im öffentlichen Raum zu
reglementieren, muß uns dort ein Maximum an Spielraum sicher
sein. Durch leibliche Anwesenheit wird der öffentliche Raum
zum politischen Raum. Zusammenkunft und Meinungsaustausch
ergänzen dieses Setting als einer Grundsituation von
Demokratie.
+) Parlament
Kann
unser Parlament mit einer Praxis von Zwischenrufen und
Unmutsäußerungen ein erstes Referenzsystem bilden, wenn wir
erörtern, was zumutbar ist und was sanktioniert werden muß?
Finden wir dort Hinweise, was üblicher Teil politischer
Auseinandersetzung ist und was dagegen Störung sei, die
geahndet werden müsse? Ließe sich das auf ein Bierzelt
übertragen? Falls nein, woran wird Maß genommen?
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