the long distance howl / konsortium 18 / tesserakt II / seite #13

Was der Fall ist

Ein Staatsanwalt möchte Grundsatzfragen klären, einen Präzedenzfall schaffen. Dazu ist ein öffentlicher Diskurs unverzichtbar. Inputs sind willkommen. Polemiken sind unerwünscht. Es geht um kompetent behandelte Sachfragen.

+) Der Kontext
Die mögliche Teilnahme aller Menschen am sozialen, politischen und kulturellen Leben als Teil des öffentlichen Lebens im öffentlichen Raum.

+) Der Ausgangspunkt
Eine Wahlkundgebung der FPÖ verlief in Gleisdorf faktisch ungestört, denn keiner der Redner mußte irgendwann unterbrechen oder gar abbrechen, wäre gehindert gewesen, seine Inhalte via Lautsprecheranlage darzubieten.

+) Bierzelt ohne Zelt
Vor der Bühne herrschte ein traditionelles Setting, das volkstümlich „Bierzeltatmosphäre“ genannt wird. Ist es möglich, daß eine einzelne Person in diesem Setting ohne Hilfsmittel eine Wirkung entfaltet, die Menschen davon abhält, die angebotenen Inhalte zu rezipieren?

+) Was ist, kann und soll öffentlicher Raum?
Eine erste von vermutlich mehreren Gerichtsverhandlungen in Weiz hat deutlich gemacht: nun geht es um ein paar Grundsatzfragen des Geschehens im öffentlichen Raum und der Teilnahme am öffentlichen Leben. Womit haben wir es zu tun?

+) Der Ort
Der Platz. Nacht. Bühne, Lautsprecheranlage, Scheinwerfer. Tische und Bänke wie in einem Bierzelt. Alkoholausschank, Grillhuhn-Station. Von der Bühne (nördlich) bis zur Fahrbahn (südlich) ist der Platz vor dem Kirchriegel mit Menschen dicht besetzt.

Man hätte Sesselreihen zur Frontalpräsentation aufstellen können. Eine Anordnung wie in einem Kino oder Theater. Aber stattdessen wurden Tische und Bänke aufgestellt, Bewirtung eingerichtet, Geselligkeit angelegt.

+) Strategisches
Das bedeutet, die Vortragenden mußten von Haus aus auf einen hohen Lärmpegel im Publikum eingestellt sein, auf lebhafte Unterhaltung der Menschen untereinander, auch auf Trunkenheit einzelner Leute. Daher war nicht bloß eine leistungsfähige Lautsprecheranlage in Betrieb. Ein erfahrener Redner wie Herbert Kickl weiß natürlich, daß er seinen Vortrag gut strukturieren und mit kräftigen Pointen versehen muß, damit sein politisches Anliegen rezipiert werden kann.

+) Ordnungsfragen
Wie schon in vergangenen Jahren Hace Strache in Gleisdorf scharfe Töne angeschlagen hat, war auch von Kickl eine harte Gangart zu erwarten. Aber selbst ohne einen so pointierten Redner hätten die FPÖ wie auch der Staat Ordnungskräfte in Stellung gebracht.

Eine politische Partei ist auf Gegenstimmen angewiesen, um das eigene Profil zu verdeutlichen. Dieses Schärfen des Profils ist einer der Gründe für eine aggressive Wahlkampfrhetorik. Wer bestaunt, daß es bei einer öffentlichen Veranstaltung zu Zwischenrufen kommen kann, bestaunt auch, daß das Wasser naß ist.

+) Ablenkung oder Störung?
Soll für eine Minute geschwiegen werden, macht das deutlich, wie lang eine Minute sein kann. Es macht Arbeit, jemandes Aufmerksamkeit für eine Minute zu binden. Wer bei einer Wahlkampfveranstaltung der FPÖ eine Minute lang abgelenkt war, ist erheblich gestört worden und konnte die dargebotenen Inhalte nicht rezipieren? Haben Sekunden der Ablenkung derlei bewirken können?

+) Öffentlicher Raum
Auch wenn der Staat sich vorbehält, das Verhalten im öffentlichen Raum zu reglementieren, muß uns dort ein Maximum an Spielraum sicher sein. Durch leibliche Anwesenheit wird der öffentliche Raum zum politischen Raum. Zusammenkunft und Meinungsaustausch ergänzen dieses Setting als einer Grundsituation von Demokratie.

+) Parlament
Kann unser Parlament mit einer Praxis von Zwischenrufen und Unmutsäußerungen ein erstes Referenzsystem bilden, wenn wir erörtern, was zumutbar ist und was sanktioniert werden muß? Finden wir dort Hinweise, was üblicher Teil politischer Auseinandersetzung ist und was dagegen Störung sei, die geahndet werden müsse? Ließe sich das auf ein Bierzelt übertragen? Falls nein, woran wird Maß genommen?

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