the long distance howl | koexistenz in konvergenz (die quest) | seite #4

Die Quest II: In der Tiefe Europas
Input zum Aprilfestival 2017, mit einer Referenz an Marko Brajkovic
Von Martin Krusche

Die Quest. Das ist ein altes Wort, vielen heute nicht mehr vertraut. Die Quest, das bedeutet Aufbruch. Veränderung.

Ist es eine Heldenreise, ein Abenteuer. Ist es eine Pilgerfahrt? Je nach individueller Entscheidung geht es dabei um Läuterung, Erkenntnis, Bewährung, für manche sogar um Erlösung.

Die Quest kann uns zum Ersatz für Initiation werden. Unsere Kultur kennt solche Bräuche kaum noch. Initiation. Das bedeutet: Ritueller Tod, Abstieg in die Unterwelt, Rückkehr. Rückkehr ist das entscheidende Ereignis. Ohne Rückkehr keine Kunst!

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Initiation eröffnet den Zugang zu Mysterien. Daher reißen wir Mythos und Logos nicht auseinander, um sie auf verschiedene Kontinente zu verbannen.

Initiation markiert den Auftakt eines Lebens in Eigenverantwortung. Eigenverantwortung bedarf der Aufgeklärtheit. Aber was soll das sein?

Ich muß es nicht neu formulieren. Immanuel Kant hat uns eine unübertreffliche Darstellung hinterlassen.

[Zitat]
• Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit.
• Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen.
• Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Muthes liegt, sich seiner ohne Leitung eines andern zu bedienen.
[Ende des Zitats]

Immanuel Kant empfiehlt: „Habe Muth dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!"

Europa ist ein Mythos, den wir leben und der uns verschlingt, wenn wir ihn nicht stets neu erzählen. Das finden Sie heute vor und hinter den Kulissen dieser Veranstaltung.

Europa ist das, was wir den alten Göttern abgetrotzt haben. Egoistische, eitle, eifersüchtige Götter voller Begehrlichkeiten. Warum sind sie uns so ähnlich? Oder wir ihnen?

Es ist die Mischung aus unseren Obsessionen, unseren Talenten, unserer Niedertracht, und es ist die Überwindung solcher Kräftespiele die uns voranbringt.

Immer verändert sich alles! Das ist die gute Nachricht. Sonst wären wir heute noch im Neandertal zuhause. Das macht auch Angst. Angst befeuert eine Quest.

Manche unter uns fürchten sich gerne, wenn sie vor die Haustür gestoßen werden und der Welt begegnen, oder die Welt ihnen nahetritt. Dann höre ich oft leichtfertige Reden über Die Heimat, über Unsere Kultur, über Unsere Identität, über Das Volk.

Was meint jemand, wenn Das Volk gesagt wird?
Ethnos?
Demos?

Ethnos ist eine kulturelle Kategorie. Demos ist eine politische Kategorie. Dies achtlos zu vermischen hat uns nach Verdun, Auschwitz und nach Srebrenica gebracht.

Wie laut sich heute viele vor dem Fremden fürchten, weil sie sich selbst fremd geworden sind. Sie kennen ihre Kultur nicht, nicht die Geschichte ihres Landes, wie auch die Geschichte ihrer Heimat, was ja keinesfalls dasselbe ist.

Ich hab eingangs erwähnt, Europa sei ein Mythos, den wir leben und der uns verschlingt, wenn wir ihn nicht stets neu erzählen. Das ist es, wovon die Befassung mit Kunst manchmal handelt, wovon auch unsere Reise handelt.

Kein Endergebnis. Keine Resolution. Aber gelegentlich innehalten, um zu beachten was am Wegesrand liegt, wen man trifft, um einander die Welt zu erzählen; und schließlich weiter, von Neugier getrieben auf das, was hinter dem nächsten Horizont ist.

-- [Dokumentation] [Die Quest II] --

(Foto: Ursula Glaeser)


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