the train: locomotion #18
nun bin ich also
wieder zurück in der elektrischen und elektronischen welt. nach 3 wochen jenseits aller
segnungen der "zivilisation" auch wieder recht angenehm. die dörfliche
kleinstadt Bilwi, wo ich den rest meiner arbeitszeit hier verbringen werde, und wo auch
die karibikuni ist, an der ich ab montag unterrichten werde, kommt mir momentan wie eine
metropole vor!
die reise in die dörfer war tatsächlich unglaublich
spannend. von Bilwi 2 tagesreisen entfernt, nur die ersten 150 km mit dem allrad-auto,
dann motorboot, zu fuss und schließlich im einbaum bis in die gegend, wo die indigenen
gemeinden sind. hier wird nur teilweise spanisch gesprochen, überwiegend mayangna oder
miskitu hier mussten meine kollegInnen für mich übersetzen. für mich war es auch
sehr interessant zu sehen, mit welchen ängsten ich mich in einer solchen völlig
ungekannten situation konfrontieren muss. da war einmal diese rätselhafte krankheit,
deren ursachen wir untersuchten und die in der überzeugung der einheimischen von magiern
oder hexen ausgelöst wird, über die sie auch völlig selbstverständlich reden, als
wären dies die natürlichen mitbewohnerInnen im dorf. und die tatsächlich bedrohliche
symptome aufweist: so haben wir erlebt, wie junge, adoleszente frauen waehrend ihres
anfalls unglaubliche kräfte entwickelten, so dass sie von 5 6 angehörigen gerade
noch festgehalten werden konnten, um nicht davon zu rennen (mit geschlossenen augen) und
sich schwer zu verletzen oder mit macheten oder stöcken andere leute zu bedrohen. ich hab
auch dabei mitgeholfen, sie zu beruhigen und konnte zu beginn kaum einen arm der
betroffenen muchacha festhalten. das unheimlichste ist aber die "ansteckung" mit
dieser krankheit: sie erfolgt angeblich, indem eine erkrankte person während des anfalls
einen namen nennt oder eine andere person am kopf berührt. bisherige heilungen werden
ausschließlich von einheimischen heilerInnen berichtet, allerdings gelingen sie auch
nicht immer. die leute in den betroffenen dörfern haben verständlicherweise sehr viel
angst, sie haben auch schon erlebt, dass durch eine solche epidemie im vorjahr das ganze
dorf mit der betreuung der kranken befasst war und deshalb ihre grundnahrungsmittel reis
und bohnen nicht ernten konnte. die folge war eine hungersnot aufgrund der einschränkung
des ohnehin nicht besonders großen nahrungsangebotes. und jetzt beginnt die zeit der
bohnen-aussaat und die krankheit flackert wieder auf!
das völlig neue an dieser forschung war ja, dass ich ein
team einheimischer wissenschaftlerInnen beraten und begleitet habe, die selbst angehörige
derselben indigenen völker sind, unter denen diese krankheit grassiert: miskitu und
mayangna. die hatten ganz schön angst vor einer ansteckung! aber meine sorgen waren auch
nicht ohne: so tauchte in den trancephantasien vieler kranker eine große, weiße frau als
urheberin des anfalls auf. große, weiße frauen gabs dort außer mir
nicht und so hatte ich schon so manche unruhige nacht, begleitet von gedanken wie
"und was ist, wenn sie mich für die krankheit verantwortlich machen?" haben sie
aber nicht sondern waren zumeist recht zufrieden mit unserer anwesenheit, weil wenigstens
irgendwer ihr problem ernst nahm.
jetzt sind wir wieder zurück an der uni hier in bilwi und
haben gestern den Bericht abgeschlossen. heute hab ich das erste ausgedruckte exemplar
ueberreicht bekommen und hab eine riesenfreude damit. einiges an der forschung war ganz
schoen schwierig, aber ich denke, das ergebnis kann sich sehen lassen. ich bin wirklich
neugierig, wie die arbeit hier bei den verantwortlichen aufgenommen wird.
diese reise, die möglichkeit sie in begleitung von
einheimischen zu machen, mit denen mich auch die ebene des gemeinsamen
forschungsinteresses verband, war für mich ein einzigartiges erlebnis. trotzdem bin ich
ganz froh, wieder in "der stadt" zu sein, mich waschen, bedenkenlos wasser
trinken (das heißt: trinkwasser kaufen) und meine pilze und unzähligen parasiten-bisse
ausheilen zu können. wenn Bilwi auch für europäische begriffe ziemlich exotisch
erscheint: hier läuft das leben aber doch in überschaubaren bahnen ab. zumindest ist es
mir mittlerweile schon recht vertraut, sodass ich mich hier ganz heimisch fühle. nach
abschluss der forschung geht meine arbeit hier nahtlos in den fortbildungskurs für die
uni-dozentInnen über, den ich mitte feber abschließen werde. dann ist 1 woche urlaub
geplant in managua, meinem derzeitigen inbegriff attraktiven, großstädtischen
lebens! mit ein bissl pazifikstrand zwischendurch ... hoffentlich!
lg
geri
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