Martin Krusche: Thema / "art under net conditions"

Ich arbeite seit Mitte der 1980er-Jahre mit Computern. Und erlebe dabei, daß ich aus der künstlerischen Praxis Erfahrungen in diverse Alltagswelten mitnehmen kann. Wo vieles, das mir längst vertraut ist, den meisten Leuten eher fremd zu sein scheint.

Das ist naheliegend, wenn man das Kunstfeld als ein Gebiet begreift, woher oft neue Erfahrungen kommen, ein Terrain, auf dem ich meine Versuche, Untersuchungen und Produktionen nicht als für den Alltag "anwendungsbezogen" mache. (Um diese Metaphorik aus den Wissenschaften zu nutzen, den Kontrast zwischen Grundlagenarbeit und anwendungsbezogener Arbeit.)

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Als ursprünglich Autor haben für mich Medien und deren Vernetzung als Basis von Kommunikationsakten ganz naheliegende Zusammenhänge. Denn genau das macht ja den Literaturbetrieb aus, seit es ihn gibt. Ich vermute, man könnte solche Grundzüge schon aus der mittelalterlichen Welt von Mönche herausarbeiten, die damals händisch Bücher kopiert haben. Womit ich deutlich machen möchte, daß wir in dieser so neuen Mediensituation auf eine ganze Reihe von Kompetenzen angewiesen sind, die in unserer Kultur schon vor Verbreitung der Computer hohe Priorität hatten. Aber es sind neue Zusammenhänge und Anforderungen entstanden.

Weshalb es für mich nahe liegt, meine Erfahrungen aus der neuen Mediensituation da und dort in diverse Berufswelten zu verzweigen. Nicht nur als Know how-Angebot. Auch um meine eigenen Annahmen laufend zu überprüfen. Die Wechselwirkung von medienbezogenen Fragestellungen zwischen Kunst, Alltagswelten, Wirtschaft und Politik interessiert mich enorm, hat für mich hohe Relevanz als Aspekt meiner künstlerischen Praxis.

Netzkunst? Na klar! Und dazu etwas Füllfederkunst. Pinselkunst haben wir auch dabei. Hammer- und Meißelkunst fehlt diesmal. Immerhin, jeden Menge Gehirnkunst ... NEIN! So geht das nicht. Freilich hat "art under net conditions" eines ihrer Fundamente in der technischen Struktur EDV-gestützer Netze. Freilich wirken Werkzeuge, während wir sie benützen, verändernd auf uns zurück. Ohne Frage hinterlassen Werkzeuge oft für sie typische Spuren, prägen also die Ästhetik eines Werkes. Aber!

Das Hauptereignis ist hier die Community mit ihren Prozessen und Kommunikationsakten. Darin spielt künstlerische Praxis unübersehbar eine dominante Rolle. Das schätzen merklich auch jene in der Runde, die sich selbst nicht primär dem Kunstfeld zurechnen. So speist meine künstlerische Intention, der man sich im Kern keineswegs anschließen muß, ein Kollektiv mit unscharfen Rändern, das in "the long distance howl" nun schon mehrjährige Kontinuität entfaltet.

Mit all der personellen Fluktuation, die so ein offener Prozeß verlangt. Traditionelle Kunstformen lassen sich darin mit den verschiedensten Medien und Disziplinen verweben. Durch die radikal neue Mediensituation und den weit reichenden Binärcode als gemeinsame Basis für ursprünglich getrennte Genres ergeben sich Optionen der Innovation. Aber Innovation ist für mich kein primärer Unternehmesgegenstand künstlerischer Praxis.

Es geht mit hier vor allem um das Erzählen. Als einer Grundsituation menschlicher Gemeinschaft ...

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(Die Stadt als Lebensraum und als blank geputzte Projektionsfläche)

Siehe auch:
Netzkultur und vernetzte Kunstpraxis (Essay)
Portfolio (Anschauliches)
martin krusche's short run exhibitions (project)


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23•05