Schattenverfolgung

pag09_selakov.jpg (29608 Byte)

Es war einmal ein Mann, den verstimmte der Anblick seines eigenen Schattens so sehr, der war so unglücklich über seine eigenen Schritte, daß er beschloß, sie hinter sich zu lassen. Er sagte zu sich: Ich laufe ihnen einfach davon. So stand er auf und lief. Aber jedes Mal, wenn er seinen Fuß aufsetzte, hatte er wieder einen Schritt getan. Sein Schatten folgte ihm mühelos. Er sagte zu sich: Ich muß schneller laufen. Also lief er schneller und schneller, lief so lange, bis er tot zu Boden sank. Wäre er einfach in den Schatten eines Baumes getreten, so hätte er sich seines eigenen Schattens entledigt. Hätte er sich hingesetzt, so wären keine Schritte mehr getan worden. Aber darauf ist er nicht gekommen. (Nach Dschuang Dse.)

Das Verstehen von Menschen beginnt mit gutem Zuhören. Was nichts anders heißt als: Mir die Zeit für jemanden zu nehmen. Den türkischen Kaffee vorzubereiten dauert seine Zeit. Wer auf eine Tasse Kaffee einlädt, nimmt sich Zeit für mich. Wie ein altes türkische Sprichwort sagt: Eine Tasse Kaffee gewinnt das Herz für vierzig Jahre.

Ein Volk kennen heißt die Zeitwerte zu kennen, mit denen es lebt. (J. Rifkin)

Wenn ich einen Menschen kennenlernen will, muß ich seine Gewohnheiten und Bräuche kennen. Ich muß seine Kultur kennenlernen. Wenn ich eine Kultur kennen will, muß ich wissen, wie sich Menschen dort zur Zeit verhalten und wie man sie sich in vergangenen Jahrhunderten Zeit eingeteilt hat. Wie maß man dort die Zeit ohne Uhr? Und wie stellten sich die Menschen dort die Ewigkeit vor?

Mirjana Selakov


core | reset | home
51•06