Overhead-Zone
(Haltungen und Perspektiven)

Die "Zähmung des Blickes" ist ein kultureller Akt der Zurichtung. Auch darin ist der Deutungsakt von zentraler Rolle. Wir lernen, wie wir die Dinge zu sehen haben. Das geschieht schon auf physiologischer Ebene. Da man etwa nur wenige Tage der Adaption braucht, um wieder "normal" zu sehen, falls man durch das Tragen einer Brille mit Prismen alles auf den Kopf gestellt sieht. Das Gehirn justiert die Deutung nach. Wir sehen also vor allem einmal, was wir zu sehen erwarten.

Begriffe wie "Haltung" oder "Blickwinkel" bezeichnen nicht bloß einen bestimmten leiblichen Habitus. Damit sind auch inhaltliche Kategorien verbunden. Also: wohin soll geblickt werden? Was ist den Blicken entzogen? Was wird ihnen aufgedrängt? Gibt es heute ein "Lernen von Potjomkin"? Wie offensichtlich darf das Offensichtliche werden?

Ufer und Auen des Flusses Mur sind auf einigen Abschnitten noch immer mit Schrebergärten belegt. Diese Ensembles des kleinbürgerlichen Gewinns an Autonomie sind in einem sozialen Gefüge soliden Vereinslebens geordnet (Heimgartenvereine). Der Heim- oder Schrebergarten, Zone der Rekreation, des Fruchtgenusses von selbst Angebautem, Zone der privaten Verfügungsgewalt, wenn auch nur geborgt.

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Der Begriff Schrebergarten leitet sich von Dr. med. Daniel Gottlob Moritz Schreber her (1808 bis 1861). Dessen Auffassungen von Gesundheit und Zucht einen vehementen Zugriff auf den Leib verlangten, in einzelnen Bereichen sogar unter Anbringung von Apparaturen am Körper.

Was aus heutiger Sicht und im Rückblick als "Schwarze Pädagogik" zusammegefaßt wird, hat neben derlei "Zuchtkonzepten" auch allerhand "erbauliche Schriften" hervorgebracht, von denen manche in tausenden Kinderzimmern überdauerten. Der vermutlich populärste Klassiker unter solchen Werken, auch mir einst unter den Weihnachtsbaum gelegt, ist sicher der "Struwwelpeter". Ein Arzt, Heinrich Hoffmann, hat diese Geschichten zu Weihnachten 1844 für sein eigenes Kind verfaßt und im Jahr darauf publiziert.

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Im "Struwwelpeter" wird unterschiedliches "Fehlverhalten" von Kindern ausnahmslos barbarisch geahndet oder endet mit dem Tod der Schutzbefohlenen hinter dem Rücken oder vor den Augen ihrer Eltern. Eine der Figuren in Hoffmanns grausamen Erzählungen ist der Hans Guck-in-die-Luft.

Hans blickt vorzugsweise nach oben, wo es offenbar interessante Dinge zu entdecken gibt, statt seinen Füßen beim Gehen zuzuschauen: "Wenn der Hans zur Schule ging, stets sein Blick am Himmel hing. Nach den Dächern, Wolken, Schwalben schaut er aufwärts allenthalben: ..."

Eine sehr anregende Haltung, ein bemerkenswerter Blickwinkel, der da als unsinnig behauptet wird. Genau diese Perspektive habe ich auf dem "Areal 8020" nun in ersten Versionen angewandt und überprüft.

Martin Krusche
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