Gehen.
Kunst. Macht. Das Band.
Von Martin Krusche
Die Erklärung eines künstlerischen
Aktes ist die praktische Ausübung von Definitionshoheit. Die Ausübung von
Definitionshoheit ist eine politische Handlung. Dazu nutze ich hier eine Symbolik, wie sie
auch die Exekutive jener Staatsmacht anwendet, die wir ohne demokratische Legitimation
unakzeptabel fänden. Diese Barriere, das gelbe Band, ist ein Kommunikationsakt. Ihre
abschirmende Wirkung beruht ausschließlich auf Verständigung und Akzeptanz.
Diese Inszenierung, dieses Nachstellen
des Motivs crime scene, wie es durch triviale Spielfilme geläufig sein
dürfte, macht einen wesentlichen Kontrast deutlich. Im Gegensatz zur Polizei habe ich
für mein Tun keine formelle Legitimation. Ich bin mit keinen Machtbefugnissen
ausgestattet. Ich kann meiner Mitteilung keinen Nachdruck verleihen.
Das Machtmittel, auf das ich mir Zugriff
verschaffen kann, ist Kommunikation. Appell? Verführung? (Ohne Frage ist
Kommunikation fähig, Schußwaffen zu lenken.) Mich interessiert sehr, wie sich die
Vorstellungen von privatem und öffentlichem Raum heute zueinander verhalten. Was dabei
das Politische sei. Und wie sich, weiterführend, virtuelle und analoge Räume
aufeinander beziehen. Jeweils als Aufenthaltsorte von Menschen.
Wenn ich zum Beispiel den realen
Bürgermeister einer realen Stadt gewinnen kann, an meiner Inszenierung teilzunehmen, kann
ich ihm dazu bloß zweierlei anbieten:
*) Sinn
*) das Gelingen von Kommunikation
Das sind zwei Hauptmotive, meine
künstlerischen Praxis in die Öffentlichkeit zu tragen. Ganz unabhängig vom privaten
Vergnügen schöpferischer Arbeit und der Befriedigung intellektueller Neugier.
Jene Option schätze ich besonders: going
public: Zugriff auf den öffentlichen Raum: Anwesenheit in dieser Öffentlichkeit;
also: im politischen Raum. In dieser unverzichtbaren Kontinuität der leiblichen Präsenz
als Grundlage der Polis. Als Grundsituation menschlicher Gemeinschaft. Als Gegenteil
dessen, was man in der griechischen Antike unter Idiotes verstanden hat ...
Menschen, die am öffentlichen Leben, an der Welt außerhalb ihrer Privatsphäre
uninteressiert sind.
Dieses going public hat durch
virtuelle Räume und Telepräsenzen leistungsfähige Erweiterungen erfahren; wodurch die
reale Begegnung der Menschen allerdings nicht aufgehoben werden soll.
Das konkrete Gehen in diesem öffentlichen Raum als ein
Begehen von politischer Realität. Ein Korridor der Langsamkeit mitten im Tempo
pragmatischer Machtentfaltung hoch organisierter Agenturen dieser Gesellschaft.
Ein deutlich geäußerter Anspruch, in diesem öffentlichen
Raum temporäre Enklaven zu errichten, diese individuell zu definieren, zu deuten. Um sie
wieder auf- und preiszugeben.
In diesem Sinn ist die Aufschrift do not cross
ein Appell zur Überschreitung. Und mein Verhältnis zur Kunst wie zur Gesellschaft ist
eine Praxis der Überschreitung. Darin wird die Kunst selbst nicht dingfest. Nur
die Kommunikation darüber. |