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(Sozialbereich, Pflegedienst, Österreich, Steiermark, Bezirk Weiz, Gleisdorf)

• Portrait: Johann Wiedner / Leiter, Bezirkspensionistenheim
Von Martin Krusche

"Sie kennen sicher das flappsige Statement: „Lieber jung, reich und gesund als alt, arm und krank". Die Zeiten des „Armenhäusl" sind zum Glück inzwischen vorbei.".

Aber es stellen sich Fragen, unter welchen Bedingungen jemand den Lebensabend verbringt, falls man nicht mehr fähig ist, seinen Alltag ohne fremde Hilfe zu bewältigen. Johann Wiedner leitet das „Bezirkspensionistenheim Gleisdorf". Eines von drei Heimen in der Region. Er ist seit rund 30 Jahren in diesem Bereich tätig, hat als Küchenleiter begonnen. „Damals bin ich seßhaft geworden, hab eine Familie gegründet." Dieser Lebensweg ließ ihn schließlich auch zum Vizebürgermeister von St. Ruprecht werden. Er und seine Ehefrau, Eltern von vier Kindern, sind überdies im Vereinsleben sehr engagiert.

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„Mir sind die Jahre so schnell vergangen, weil immer was los ist." Erfahrung sammeln, „man muß immer dazulernen", Prüfungen ablegen … „Heute bin ich vor allem für das Wirtschaftliche, für den Einkauf und Finanzen zuständig."

Die Grundmauern des Hauses stammen von 1968. Doch nun ist ein Neubau im Werden. „Das war einmal ein Wohnheim, aber wir sind inzwischen ein Pflegeheim geworden. Die Gänge sind zu schmal, die Zimmer zu klein. Das Landesgesetz schreibt neue Standards vor. Wir müssen heute grundsätzlich anderen Anforderungen gerecht werden."

Der gesamte Themenkomplex ist in unserer Gesellschaft immer noch von vielen Tabus umgeben. Wer möchte sich denn klar machen, daß es einen jederzeit betreffen kann? Wiedner: „Man verdrängt es halt, solange man nicht selbst involviert ist." Er hat es täglich vor Augen: „Die Demenz-Fälle steigen immer mehr." Auch Krebs-Fälle. Und es geht nicht bloß um alte Menschen. „Mein Jüngster war noch keine 20. Der ist nach einem Unfall gehirntot gewesen."

Die Familienstrukturen haben sich in unserer Gesellschaft völlig verändert. Familienverbände, wo drei Generationen in einem gemeinsamen Haushalt leben, sind die Ausnahme, sind eigentlich ein Phänomen der versunken agrarischen Welt. Wiedner: „Heute gibt es außerdem viele Alleinerziehnde und Einzelkinder."

Sozialkosten explodieren zuweilen, Belastungen steigen, Flexibilität ist gefordert. „Ich hab sogar ein Bett mit allen Anschlüssen in meinem Besprechungszimmer." Wiedner stützt sich auf sein Team und ist immer am Ball. „Ich bin rund um die Uhr erreichbar und möchte immer informiert sein, wenn sich im Heim etwas tut." Diese Art des Engagements trifft auf höchst unerschiedliche Situationen.

„Jeder bleibt natürlich gerne zuhause, so lange es geht." Es falle den Menschen manchmal schwer zu akzeptieren, was geschehen ist. „Die Umstellung braucht halt Zeit." Dann komme es aber auch vor, „daß eine Frau, die schon lebensmüde war, sich plötzlich auf das nächste Faschingsfest freut."

Wiedner begrüßt übrigens, daß heute Jugendliche, die für ein Vergehen einstehen müssen, von der Bezirkshauptmannschaft zum Sozialdienst geschickt werden. „Vier Stunden sind das Minimum als Strafe. Die sehen da bei uns viel." So würden Jugendliche dann oft völlig neue Erfahrungen machen.

[St. Ruprecht / Raab]

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