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(Gastronomie, Österreich, Steiermark, Bezirk Weiz, Gleisdorf)

• Portrait: Anna Messner / Frühstückspension
Von Martin Krusche

„Mein Frühstück beginnt um 6:30 und dauert den ganzen Tag an“, sagt Anna Messner augenzwinkernd. Was freilich nicht bedeutet, daß sie Stunden beim Kaffeehäferl zubringen würde. Frühstück in einer Frühstückspension bedeutet in ihrem Fall, daß sie quasi ihr Wohnzimmer mit Reisenden teilt.

Die Gäste stehen zu unterschiedlichen Zeiten auf, dürfen mit einem gut ausgestatteten Büfett rechnen, haben gelegentlich Extrawünsche. „Manchmal, wenn das Haus voll ist, höre ich an jedem Tisch eine andere Sprache.“

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Für die versierte Gastronomin galt nie, was die meisten Menschen sich unter Privatleben vorstellen. Die Gastwirtschaft bestimmt und durchdringt den Lebensalltag. Messner ist im Betrieb ihrer Eltern aufgewachsen. Der Gasthof Messner-Melachart im Erdgeschoß hatte einst über zwanzig Angestellte und einen großen Saal, der das gesellschaftliche Leben der Region prägte. Damit hat Messner 1994 Schluß gemacht und im ersten Stock die Pension eröffnet. „Gegen unten ist das hier heroben Urlaub“, sagt sie, nachdem sie sich Kaffee genommen hat.

„Heute bleibt mir mehr Zeit für die Familie.“ Messner freut sich über den „Familientisch“, den es früher nicht gab. Wo nun Zeit und Gelegenheit zum Zusammenkommen und Plaudern ist. Mit ihren beiden Töchtern Andrea, Gabi und deren Lebensgefährten Andreas Kulmer. Kaffee mögen sie alle, Orangesaft ist da, aber die Runde ist geteilt. In eine „Fleischabteilung“ und eine fleischlose. Kein Problem, denn das breite Angebot zwischen Schinken und Müsli, Marmelade und Obst steht jeden Tag bereit. Für die Gäste gleich wie für die Familie. Drei Generationen in der Dienstleistung, ganz nah an den Menschen dran. Anna und August Melchart hatten, aus dem Raum Fürstenfeld kommend, das Haus 1927 gekauft. Anna Messner läßt einen ahnen, daß dieser Betrieb ihr Leben ist. Gabi und Andrea haben, wie sie sagen, auch keine übliche Kindheit gehabt. Das entspricht den früheren Gepflogenheiten der Arbeitswelt, da Kinder in das Tun der Eltern schon früh einbezogen waren.

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Am „Familientisch“, von links: Andreas Kulmer, Gabi, Anna und Andrea Messner.

Im Plauderton führt das Erinnern zu Lachen in der Runde. Man begreift, das handelt auch von schweren Stunden, die stets bewältigt werden mußten. Was nun gelegentlich am gemeinsamen Frühstückstisch sich zeigt, handelt von ganz verschiedenen Lebenswegen. Gabi hat in Gleisdorf ein Taxi-Unternehmen aufgezogen, das rund um die Uhr verfügbar ist. Nun befaßt sie sich auch mit Immobilien. Andrea arbeitet in einem Beerdigungsinstitut. Also erneut: ganz nah an den Wünschen und Sorgen der Menschen.

Kaum zu übersehen, daß Anna Messner auf ihre Töchter stolz ist. Zu den erlebten Mühen sagt sie: „Man merkt eh sofort, wenn einer die Liebe zum Beruf nicht hat, soll er es gleich lassen.“ Immer gefordert, immer Menschen um sich, immer den Kontakt zu den Leuten: „Das zieht sich bei uns durch.“

Wenn das Gästebuch auf den Tisch kommt, tur sich da ein Bogen quer durch die Zweite Republik auf. Von Raab und Figl bis zu Kirchschläger und Fischer hat Messner die meisten Präsidenten und Kanzler kennengelernt.


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