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(Fotografie, Österreich, Steiermark, Bezirk Weiz, Gleisdorf) Portrait: Wolfgang Wuganigg /
Fotograf Für Wuganigg beginnt diese Geschichte mit einem Haus in der Gartengasse, in dem es ein "Nordlichtatelier" gab. Fotografie war einst weitgehend vom Tageslicht abhängig, der Erbauer hatte sich dies unter einem schrägen Glasdach ermöglicht. Die Dunkelkammer, in der dann von den belichteten Glasplatten Fotografien ausgearbeitet wurden, befand sich zu ebener Erde. Walters Onkel Wilhelm hatte diesen Betrieb Mitte der 1940er-Jahre übernommen und gemeinsam mit seinem Bruder (Walters Vater Alexander) fortgeführt. Fotografien hatten seinerzeit einen hohen Stellenwert. Was man heute noch daran sehen könne, wie alte Leute mit Schwarzweißfotografien von damals umgehen. Das Atelier hielt sonntags geöffnet: "Die Menschen waren schön angezogen, sind zur Kirche gegangen. Nachher haben sie bei Tageslicht ein Foto machen lassen können." Man mußte wegen der nötigen Belichtungszeiten länger still sitzen. "Da hat es hinter dem Portraitsesserl einen Nackenhalter gegeben", mit dem man fixiert wurde. Die belichteten Glasplatten, quasi Teil des Betriebsvermögens, hatte der Vorbesitzer zu Kriegsende vergraben, als die Rote Armee anrückte. So wollte er Arbeitsmittel für die nahe Zukunft sichern. Nach dem Zweiten Weltkrieg setzte sich, statt dem Glas, der vom Kinofilm abstammende Kleinbildfilm durch und veränderte das Gewerbe. Mit aufkommender Amateurfotografie war Wuganiggs Lehrzeit, die er als Vierzehnjähriger in Graz begann, von neuen Anforderungen geprägt. Drei Lehrjahre, Gesellenprüfung, Meisterprüfung, inzwischen spielten die Drogerien eine wachsende Rolle. Die Ausarbeitungen mußte für private Kundschaft vermittelt werden, der Verkauf von Filmen und Kameras kam dazu, "der Fotograf hat nur seine eigenen Sachen ausgearbeitet." Die heutige Drogerie Rotter (vormals Hiermann) hatte damals einen Bereich des Fotohandels aufgebaut, den Walter Wuganigg Mitte der 60er übernahm. Es war ganz nach seinem Geschmack, neben dem Atelier nun "als junger Mensch auch ein Stadtgeschäft zu haben." Was aber bedeutete, nach der Tagesarbeit "von 22 Uhr bis vier Uhr früh in der Dunkelkammer zu stehen." Mutter Rosa betreute den Laden. Mit Onkel Wilhelm war er samstags auf Hochzeiten tätig. Oft sechs, bis sieben an einem Tag, "das war sehr harte Arbeit. Aber das hat dazugehört, daß jeder Gast ein Hochzeitsbild bekommt oder eine Mappe, da waren die Leute nicht kleinlich." Taufen, Kommunionen, Firmungen, Hochzeiten, Jubiläen ... "Das war früher die Domäne der Berufsfotografen." Die Hobbyliga hatte Mitte der 1960er-Jahre mit der "Kodak Instamatic" eine simpel zu bedienende Kamera erhalten. Damit setzte ein Boom der Farbfotografie ein. "Ich war im Werk in Rochester einmal zu Besuch. Ich dachte, dort müßte es wie bei einem Uhrmacher zugehen. Aber das war grobe Industriearbeit." Das sei eine Revolution gewesen, "zu Weihnachten haben wir die Instamatic 100-stückweise rausverkauft." Das Zeitalter des "Knipsens". Während anspruchsvolle Amateure bei Technik und Ergebnis sich mit großem Ehrgeiz bemüht haben, "besser als der Profi zu sein." Hauptsächlich mit japanischen Spiegelreflexkameras. So zählten im Geschäft vor allem Kundenberatung und Service. Ehefrau Ingrid war zur unverzichtbaren Stütze im Betrieb geworden. 1971 hatten sich längst neue Großlabors zur Ausarbeitung etabliert und die Branche verändert. Zu jener Zeit führten die Feistritzwerke noch ein kleines Geschäft in der Franz Josef-Straße. Dorthin zog nun der Fotograf mit seinem Unternehmen auf eine bescheidene Fläche, die 1979 erweitert wurde. Die 80er wurden eine Ära, da Supermärkte sich in der Fotoausarbeitung engagierten und Drogerien das Foto als Frequenzbringer sahen, was die Preise heftig nach unten drückte. "Filme und Kameras sind laufend verbessert worden." Neue Systeme kamen und verschwanden. "Heute ist beim Konsumenten alles möglich. Es finden sich für alle Schwerpunkte Käuferschichten." Vor fünf Jahren ahnte Wuganigg: "Da kommt was auf uns zu." Inzwischen haben Digitalkameras zu einer neuen Revolution im Fotografieren geführt und auch Handies schieben sich in diesen Bereich. Wuganigg: "Für gute Beratung müßte man sich jede Woche schulen lassen, um jede Neuerung aufzugreifen. Und ohne Internet geht überhaupt nichts mehr." Hinzu kommen immer bessere Fotodrucker, die zuhause eingesetzt werden. "Ich glaube, diesen Mix von Berufsfotograf, Handel und Beratung wird es bald nicht mehr geben. Spezialisierung ist heute die Frage des Überlebens." Obwohl die Hersteller nach seiner Einschätzung darauf achten, daß der Fachhandel überleben kann. Was immer noch an Änderungen kommen mag, das Speichern der Daten wirft ja Probleme auf, weil keines der neuen Medien mehr als zehn Jahre Haltbarkeit verspricht. "Ich bin ein Verfechter des gut ausbelichteten Bildes auf Fotopapier. Das hält auf jeden Fall 100 Jahre. Da müßte schon ein Brand oder Hochwasser dazwischenkommen." Wuganigg wird nun seinen Beruf zu seinem Hobby machen, schließt sein Geschäft. Auch wenn ihm der Abschied von der langjährigen Kundschaft schwer fällt. |
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