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(Gastronomie, Österreich, Steiermark, Bezirk Weiz, Nitscha) Portrait: Gottfried Lagler /
Pizzabäcker "Zeit ist ein wichtiger Faktor", sagt der leidenschaftliche Gastronom. "Man kann einer Pizza dann zusehen, wie sie wächst." Wenn sie eben nicht im Schnellverfahren heruntergestanzt wird. Lagler meint Prozesse der Lebendigkeit, die ganz natürlich dazu führen, daß ein Stück nicht dem anderen gleicht. Wie auch jedes Buchenscheit im Pizza-Ofen verschieden ist. Er bekennt offen, eine Pizza werde immer so gut, wie der Koch grade bei Laune sei. Weshalb also für ihn viel zusammen passen muß. In einem Elektroofen geht alles schneller. Aber das gehört nicht zu Laglers Praxis. Er setzt auf Gäste, die sich gerne etwas Zeit nehmen, weil beschleunigte Abläufe niemals zum gleichen Geschmacksergebnis führen. "Obwohl wir natürlich auch Speisen für Leute anbieten, die es grade eilig haben." Außerdem gilt: "Ich kaufe gerne die Produkte unserer Bauern aus der Umgebung. Da geht es mir nicht um die billigste Ware. Weil ja auch eine Leistung dahinter steht, die bezahlt werden muß. Das wissen aber auch meine Gäste. Daß ich dann von drei Scheiben Paradeiser einen Geschmack hab, den ich von anderen auch aus zehn Scheiben nicht kriege." Wobei sich das Herrichten und Backen der Pizze mitten im Lokal abspielt. "Ich hab früher in abgeschlossenen Küchen gearbeitet. Ich finde den Kontakt zwischen Koch und Gästen sehr spannend." Lagler verfügt über ein "Basisprogramm" von wenigstens 50 Arten, die teils klassisch sind, teils auf eigene Backversuche zurückgehn. "Geschmäcker sind eben verschieden." Was sich manchmal an ausgefallen Kundenwünschen zeigt. Oder daß sich "manche Gäste von mir mit einer Kreation überraschen lassen, da wissen sie vorher nicht, was es wird." Gottfried und Marianne Lagler haben 1990 "mit Kaffee und Kuchen" am jetzigen Standort in Wünschendorf begonnen. 1996 wurde aus dem Café eine Pizzeria. "Die Familie ist für mich das wichtigste. Meine Frau steht voll dahinter und motiviert mich immer wieder." Um neue Ideen zu realisieren. Dazu gehört längst ein Energiekonzept, das auf Photovoltaik setzt. Was den Betrieb nun im Bereich "Energiesparen im Tourismus" unter die "Top Ten" der Steiermark gebracht hat. Dieser modernen Technologie steht im "Figaro" eine spezielle Wertschätzung früherer Technologien gegenüber. Es treffen sich dort regelmäßig die Liebhaber alter Motorräder und Automobile. Der Wirt fährt selbst einen in Österreich seltenen britischen "Singer". Lagler hatte schon als Schüler im Kellerstöckl seiner Eltern aus interessanten Fundstücken ein "Museum" eingerichtet. "Die Wegwerfgesinnung mag ich nicht. Das sieht man auch in meinem Lokal." Das mit kuriosen Gebrauchsgegenständen aus vergangener Zeit dekoriert ist. Wie ihn an Oldtimern Formgebung und Geschichte faszinieren, daß daran menschliche Leistung und Ideen sichtbar sind, schätz er es auch in anderen Bereichen, wenn der Einsatz von Energie nicht ins Leere laufen. "Ich sehe mich als Ladestation", sagt er dem entsprechend. "Hier können Leute ihre Batterien aufladen." Darum gehe es in der Gastronomie. "Ich mag mich ja selber auch nirgends einfach abfertigen lassen." Lagler denkt an Hintergründe. "Früher war der Wirt wie ein Richter. Dort hat man sich viel ausgeredet. Ich hab das in meiner Lehrzeit noch erlebt. Wo man am Sonntag, nach der Kirche, im Wirtshaus die Reingeschichten ausgehandelt hat." Eine strittige Ackergrenze wird heute wohl nicht mehr im Wirtshaus verhandelt. Aber genug andere Gründe. Für welche Laglers Arbeitstag um acht Uhr morgens beginnt und fast bis Mitternacht dauert. [Region] |
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