unplugged.at: text #50 / martin krusche / portraits

(Bildung, Österreich, Steiermark, Bezirk Weiz, Gleisdorf)

• Portrait: Kamillo Hörner / Erwachsenenbildner
Von Martin Krusche

Die Stadt, das ist nicht nur die Summe baulicher Maßnahmen. Das sind auch Art und Qualität des Lebens in ihr. Diese Sicht pflegt der Gleisdorfer, der hier 1985 Kulturreferent wurde, 1991 die Geschäftsführung des "Steirischen Volksbildungswerkes" übernahm.

Die Wurzeln seiner Anschauung liegen in einem Architektur-Studium, an dem ihn das Thema Städtebau am stärksten fesselte. Hörner: "Es geht darum, das Wesen einer Stadt bewußt zu gestalten." Aber wo klärt man dieses Wesen, das Lebensarten so vieler Menschen betrifft? Teilweise dort, wo sich das gesellschaftliche Leben zeigt. "Es gab schon vorab Sportvereine, den Chor, Faschingsumzüge;" ... da war dann die Idee, daß viel mehr als nur das lokale Geschehen für Gleisdorf eine Rolle spielen könnte.

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Hörner erinnert sich zum Beispiel an die "Filminitiative" von Thomas Hein, wo das Betrachten interessanter Werke Anlaß für weiterführende Diskussionen war. Inhaltliche Arbeit. Eben nicht nur seitens der Funktionäre einer Stadt. Auch seitens der Bürgerinnen und Bürger. Hörner gefiel die Idee "informelle Lernprozesse in Gang zu setzen". Was bedeutet, daß in solchen Abläufen Wege und Ziele nicht schon von hausaus vorgegeben seien. Es zeigte sich auch ein wachsendes Interesse an Jazz, neue Aktivitäten kamen dazu.

So entstanden Strukturen, in denen nicht nur interessante Gäste auftreten konnten, sondern auch junge Talente aus der Region ein Publikum fanden. Hörner erinnert sich an eine Besonderheit der Stadt. Junge Menschen blieben da mit ihrem kulturellen Engagement nicht allein. "Die neuen Entwicklungen sind von einzelnen Persönlichkeiten des Gleisdorfer Bürgertums mitgestaltet und mitgetragen worden." Das ist, bei all den möglichen Kontrasten, in der Tat nicht selbstverständlich. Hörner bevorzugt einen Kulturbegriff, der mehr als bloß Kunstvermittlung meint. Die Stadt als strukturierter Lebensraum, von dem Natur zurückgedrängt wird.

Hier mischen sich das Notwendige, das Nützliche und das Erbauliche. "Ich habe mich dann auch mit Gartenkultur beschäftigt. Im Zusammenhang mit der damaligen Naturgartenbewegung." Daraus leitete Hörner seine Arbeit an einem sogenannten "Öko-Kataster" ab: eine Bestandsaufnahme der Bodenflächen und deren Bewertung. So daß es bessere ökologische Entscheidungsgrundlagen für Fragen der Stadtentwicklung gibt. Wieder fällt auf: diese Verknüpfung der unterschiedlichen Aspekte von Natur und Kultur.

Hörner verstand den Zusammenhang von "öffentlichem Raum" (als einer politischen Kategorie, welche der Allgemeinheit gewidmet ist) und Innenstadtgestaltung als eine Entwicklung, die vom historischen Ausgangspunkt des heimischen "Ackerbürgertums" her zu denken war. Weshalb ihn das alte Zentrum der Stadt besonders interessierte. Von Hörner stammt der erste Entwurf einer Fußgängerzone, die diesem Zentrum eine andere Funktion geben sollte. Denn dieses klassische Zentrum hat alte Funktionen an die "neuen Zentren" abgeben müssen.

Hörner fand damals zu dem Prinzip, das er auch in der Leitung des Volksbildungswerkes hochhält. Langfristige Stabilität statt kurzfristige Verwertbarkeit. Er sagt: "Menschen sollen nicht nur einmal eine Chance bekommen, sondern immer wieder eine Wahl treffen können." Das verlangt seiner Erfahrung nach achtsame Prozesse, in denen nicht gleich zu einem bestimmten Ziel losgeprescht wird. "Wenn man Menschen zum Nachdenken ermutigt, kommt immer viel heraus." sagt er. Und betont dabei den wichtigen Zusammenhang von Klärungsarbeit für den einzelnen Menschen, das Individuum, aber auch den Bezug zum Gemeinwesen, zum größeren Ganzen. Dem läge die schlichte Überlegung zugrunde: "Ich bin hier nicht alleine. Was heißt es ein soziales Wesen zu sein?"

Hörner stellt klar, daß Politik, Soziales, Bildung und Kultur eng miteinander verbunden sind. Es sei von zentraler Bedeutung, auf welche Prozesse sich Funktionstragende einer Kommune mit ihren Bürgerinnen und Bürgern einließen. Die gegenwärtigen gesellschaftlichen Trends faßt er so zusammen: "Die Zerstreuung von Gemeinschaftsinteressen wächst. Konsum wird als Ergebnis gewertet." Eine Tendenz, gegen die Hörner mit seinem kulturellen Engagement landesweit arbeitet.

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