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[26•02]

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Gleisdorfer Stadtjournal: "Spuren" #18

Gerhard und Julia Orthaber
Von Martin Krusche

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Gerhard hat von Jugendtagen an mitgearbeitet, ist seit seiner Kindheit damit vertraut: „Meine Mutter hat ihren ersten Schüsselsatz 1963 gekauft.“ Rosa Orthaber wurde mit ihrer Gruppe eine der erfolgreichsten Tupperware-Beraterinnen Österreichs. Daraus entstand ein bemerkenswertes Familienunternehmen mit seinem heutigen Sitz in Gleisdorf. Gerhard führt es inzwischen gemeinsam mit seiner Frau Julia. Der Jahresumsatz von rund vier Millionen Euro wird keinesfalls schamhaft verschwiegen. Das Konzept gilt nach wie vor als ungewöhnlich. Das Unternehmen des Paares gehört weltweit zu den 50 besten der Branche. Was Tupperware anbietet, ist in Geschäften üblicherweise nicht zu finden. Kommt also auch im Stadtbild kaum vor. Was sonst am Übergang zwischen öffentlichem und privaten Raum stattfindet, ist hier völlig in die Privatsphäre verlagert. Bei Parties, die von interessierten Frauen veranstaltet werden. Bei Begegnungen, die gleichermaßen als Geschäftsereignis und als soziales Geschehen gedacht sind.

Es steht zwar seit Mitte der 90er ein eigenes Firmengebäude in der Industriestraße. Dies ist aber vor allem Warenlager und Treffpunkt für die rund 300 Beraterinnen, mit denen die Orthabers kooperieren. (Gerade mal drei Männer darunter.) Aus einem Aktionsradius von zirka 100 Kilometern treffen sich dort jeden Montag etwa 150 bis 200 Frauen zu Meetings. Es ist also, gemessen an herkömmlichen Betrieben, eine ungewöhnliche Branche. Deren Vertriebsstelle, eine von drei in der Steiermark, Mutter Rosa vor rund 20 Jahren von Hartberg hierher verlagert hat.

Julia betont, manche Beraterinnen seien schon seit 20 Jahren dabei. „Andere seit einer Woche.“ Flexibilität und Eigenverantwortung sind hoch angeschriebene Qualitäten. Gerhard: „Alte Familienbetriebe werden oft von großen Kaufhausketten bedrängt. Oder bekommen Standortprobleme.“ Sie kompensieren derlei, „indem wir zu den Kundinnen hingehen.“ Nicht als Klinkenputzer. Und mit einer gut eingeführten Markenware. Julia ist vor allem für Motivation und Ausbildung zuständig. „Schulungen, Verkaufstrainig, Persönlichkeitsbildung. Bei uns lernen die Frauen Dinge, die ihnen auch in anderen Berufen nützen.“ Es gehe dabei um Kompetenzgewinn und einen Zuwachs an Selbstbewußtsein. Aber auch um ganz praktische Dinge. Gerhard: „Wo lernen das heute junge Frauen? Wie man Brot backt, Ernährungsfragen, wie man richtig einfriert und so weiter.“

Die sachgerechte Handhabung der angebotenen Ware sei bei den Parties nur einer der Aspekte. Familiäres, Problemlösungen, Alltagsdinge, praktische Tips und Kniffe, Rezepte, das sind Themen in einem System privater Netzwerke. Tupperware ist nicht die einzige Firma, die auf solche Elemente setzt. Aber vermutlich die erfolgreichste. Gerhard: „Wir sind Franchisenehmer.“ Also betriebswirtschaftlich autonom. „Gebietsschutz gibt es nur innerhalb von Österreich.“ Das heimische Hauptquartier steht in Wr. Neudorf. Das amerikanische Stammhaus in Orlando, Florida. Gerhard sagt unumwunden: „Wir sind leistungsorientiert.“ Julia: “Wir werden wöchentlich österreichweit und regelmäßig weltweit mit anderen verglichen. Da kann man es sich nicht leisten, daß einem nichts einfällt.“ Das sind für die Region eher untypische Bedingungen. Bei denen die klingende Marke und die Qualitätstandards keineswegs genügen, um geschäftlichen Erfolg herbeizuführen. Beide sind sich einig, daß ein gut ausgebildetes und motiviertes Team dazugehört. Mit der Besonderheit, daß berufliches und privates Leben eng verknüpft bleiben.



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