Gleisdorfer
Stadtjournal
[12•02]

Features
und Reportagen

Gleisdorfer Stadtjournal: "Spuren" #16

Helga Plautz
Von Martin Krusche

Das Anwesen war im 19. Jahrhundert eine große Landwirtschaft. Wo heute die Buchhandlung Plautz besteht, ein Pferdestall. Helga Plautz ist eine eigenwillige Kombination unternehmerischer und kultureller Institution in dieser Stadt. Was schließlich zu „ihrem Haus“ wurde und als Buchhandlung ein bundesweites Renommee hat, wuchs entlang einem Stück erstaunlicher Sozialgeschichte.

Deren Auftakt vollzog sich in einem etwa 20 m2 kleinen Raum. Der war davor von einer Buchbinderei belegt. In Nachbarschaft zu einer Schneiderei, einem Malerbetrieb, verschiedenen Handwerksstätten. Bis in die 50er beherbergte das Haus auch das Telegrafenamt der Stadt.

Vater Karl Plautz war Buchhändler in Wiener Neustadt gewesen. Von der Überzeugung geleitet, daß Menschen sich selbst eine Meinung bilden müßten, wozu das Lesen ein vorzüglicher Weg sei. Das ließ den ausgewiesenen Nationalsozialisten in der NS-Zeit mehr Bücher unter als über dem Ladentisch verkaufen. Eine kuriose Facette dieser Zeit.

Das Geschäft entwickelte sich mit Zeitschriften. Und mit Groschenromanen, die als Kommissionsware an Trafiken geliefert wurden. Was heute gerne übersehen wird: Trivialliteratur war die eigentliche Basis des wachsenden Leseverhaltens breiter Bevölkerungsschichten.

Plautz: „In den 50er-Jahren hatten wir noch einen Versandbuchhandel. Das Ladengeschäft besteht seit 1959.“ Das Credo ihres Vaters: „Bücher kann man überall verkaufen. Man muß nur wissen wie.“ Plautz sagt: „Daran halten wir uns noch heute. Wir versuchen, eine lebendige Literatursituation zu inszenieren.“

Seinerzeit hieß das zum Beispiel, daß ihr Vater weiterhin auf Tour war. Anfangs, mit Büchern bepackt, auf dem Fahrrad. Bis in die Obersteiermark. Um Schulen, die Ordinationen von Ärzten, die Kanzleien von Notaren und Steuerhelfern anzufahren.

1972 stand ein großer Umbau an. Das legte den Hauskauf nahe. 1975 hat Plautz das Geschäft übernommen, an dem sie seit ihrem 14. Lebensjahr mitwirkt. Der Betrieb hat jede Konjunkturschwankung, jeden Veränderungsschub der Wirtschaft stabil überstanden. Sie sagt, langer Atem sei wesentlich. Ihr Vater habe manchmal gemeint: „Das schaut jetzt gerade nicht gut aus. Aber wir müssen es im ganzen sehn.“ Plautz weiß: „Für mich geht überhaupt nichts, wenn ich nicht meine Crew habe.“ Wie sie das mit ihren Leuten umsetzt, hat eine launige Konsequenz: „Mein Betriebsberater wird mit mir wahnsinnig.“ sagt sie lächelnd.

Der Handel sei in Veränderung wie wir alle, erläutert sie. „Wir befinden uns in einem extremen Umbruch. Diese Prozesse laufen immer schneller.“ Es sei daher nicht naheliegend, mehr als fünf Jahre vorauszuplanen. Man müsse sich für Veränderungsmöglichkeiten offen halten.

Zu ihren Standort im Zentrum meint Plautz: „Da sind wir genau richtig.“ So lange die Kundschaft noch eine Begegnung von Mensch zu Mensch bevorzuge. Würden es die Leute einmal lieber anonymer haben wollen, müßte sie ihr Konzept ändern. „Als Unternehmerin habe ich den Gesetzen der Wirtschaft zu folgen.“ Aber: Plautz sieht ihre Schwerpunkte weiterhin in den lebhaften Begegnungen. „Längerfristig haben wir mit Kulturtourismus ein Zukunftsprojekt.“



[Andere Portraits] [Martin Krusche: Home]
[core] [kontakt] [reset] [home]