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Gleisdorfer Stadtjournal: "Stimmen" #17

Hildegard Schaden
Von Martin Krusche

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“Die Menschen setzen sich wieder mehr damit auseinander, daß das Leben auch ein Ende hat”, sagt Hildegard Schaden. Das weist aber erst in die Richtung einer Entwicklung, für die offenbar noch viel zu tun bleibt. Wodurch ist ein Leben lebenswert? Auch wenn es zu Ende geht? Für die Zeit, die einem bleibt? Diesem fundamentalen Aspekt des Daseins widmet sich die sogenannte “Hospiz-Initiative”. Eine Bewegung, die 1963 in England ihren Ausgangspunkt hatte, seit 1993 auch in der Steiermark wirkt. Angst zu nehmen, Peinigung zu mildern, Einsamkeit zu verhindern, das sind einige der Ziele, denen man sich in der Begleitung von Sterbenden verpflichtet hat. “Sterbebegleitung ist etwas grundlegend anderes als Sterbehilfe”, betont Schaden. Die vormalige Geschäftsfrau hat sich nach ihrem Schritt in die Pension einen neuen Schwerpunkt gesucht, um Tatendrang und Lebenserfahrung umzusetzen. Die Lektüre eines Zeitungsartikels brachte sie auf dieses Thema.

Seit 1997 besteht nun eine Gruppe der “Hospiz-Bewegung”, die den Bezirk Weiz betreut. Schaden hat diese Gruppe mit aufgebaut. Die Arbeit wird ehrenamtlich getan, wie auch die Betreuung für Betroffene kostenlos ist. Betroffene, das sind nicht nur Sterbende, sondern auch Schwerkranke. Und Angehörige. Es sei ein feines Ohr nötig, sagt Schaden, denn oft würden Dinge nur symbolhaft geäußert. Verschlüsselt. Oder man stehe jemandem zur Seite, der mit dem Sterben eines Angehörigen nicht fertig würde. Hilfe zu trauern. Und loszulassen. Um das Loslassen geht es ja bei allen Beteiligten. Schaden weiß aus Erfahrung, daß manche, die ihr Ende nahen sehen, von noch ungelösten Angelegenheiten gequält werden. Es gibt auch offene Wünsche, deren Erfüllung manchmal ganz einfach wäre. Wenn bloß jemand davon erfahren würde.

Leben, selbst in den letzten Zügen, ist lebenswert, macht Schaden klar, aber es gibt Bedingungen dafür. Zum Beispiel: daß einem körperliche Schmerzen durch angemessene Schmerztherapie genommen werden. Daß man nicht in irgend eine Kammer abgeschoben wird. “Viele fürchten die Einsamkeit”, sagt sie. Oder jemand ist vielleicht von der nötigen Versorgung eines Sterbenden schon so überlastet, daß keine Kraft mehr für die Beziehungsdinge bleibt.

“Der Tod gehört zum Leben wie die Geburt.” Aber er ist von Tabus verstellt. Wir hören es eben nicht gar so gerne: “Auch der Schwerkranke will leben; die Zeit die er hat.” Natürlich fürchten Menschen Einschränkungen, fürchten Hilflosigkeit und Abhängigkeit. Zurecht. Genau da setzt die Arbeit der “Hospiz-Bewegung” an. Einer der Werte dieses Engagements: “In Frieden gehen können. Das ist ein schöner Abschied.” Die nötige Unterstützung, falls es jemandem schwer fällt, “das Leben in Ruhe abzuschließen. Dazu können wir was beitragen.” Trauer ist vielleicht ein anderes Wort für Trennung bewältigen.

Schaden weiß um die Anstrengungen, die in solcher Begleitung liegen können, betont zugleich aber: “Man bekommt auch sehr viel zurück.” Es ist eben keine Dienstleistung, es ist Beziehungsarbeit an einem Fundament menschlicher Begegnung. Bei der man lernen muß, eine Ausgewogenheit zu sichern: was kann ich geben und was brauche ich für mich? Die Fähigkeit zur Abgrenzung als Grundbedingung zur Möglichkeit des Gebens.

Eine Arbeit, die nicht ausschließlich, aber überwiegend von Frauen geleistet wird. Gestützt auf einen Grundkurs und laufende Supervision. Dieser private Einsatz in zentralen Aufgaben einer Gesellschaft braucht allerdings strukturelle Unterstützung von öffentlicher Seite. Und seitens der Wirtschaft. Es fallen beispielsweise Kosten an, Fahrt- und Telefonspesen etc., die man den Aktiven abnehmen sollte. Die “Hospiz-Bewegung” wirkt nicht nur “nach innen”, in diese geschützten Räume von sehr intimen Ereignissen. Die Erfahrungen, das Wissen werden auch nach außen getragen. Werden etwa über interessierte Lehrer an Kinder herangebracht. Schaden: “Die jungen Menschen nähern sich diesen Themen sehr unbefangen. Da setzen wir an.”

Denn das steht außer Frage: diese Gesellschaft muß wieder lernen, dem Tod seinen gebührenden Rang einzuräumen, damit auch die Sterbenden unter uns Platz haben. Die “Hospiz-Bewegung” widmet sich den seelischen, spirituellen und sozialen Aspekten dieser Aufgabe von einer überkonfessionellen Position aus. Schaden: „Nur wenn wir lernen den Tod und den Prozeß des Sterbens als einen Teil des Lebens anzunehmen ist es möglich, den Sterbenden menschlich zu begegnen und selbst menschlich zu bleiben.“



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