Gleisdorfer
Stadtjournal: "Stimmen" #15
Winfried Lechner
Von Martin Krusche
Der Architekt Winfried Lechner war
rund ein Jahrzehnt im Planungsausschuß der Stadt Gleisdorf tätig. Aus dieser Befassung
ist er zu einem sehr nüchternen Kriterium gekommen, wenn man ihn fragt, was die
Innenstadt sei. "Wir haben heroben um den Kirchturm einen Kreis mit 500 Metern
Durchmesser gezogen." Das umfaßt Gleisdorfs ursprüngliches Zentrum, aber auch den
Bereich GEZ (Einkaufszentrum), den Bereich Post und Spar (mit Dienstleistungen und
Verkehrsknoten Busbahnhof) sowie den "Klosterkomplex", der nun neu gewichtet
werden soll.
Lechner bevorzugt Konzentration, um die Mitte aufzuwerten. Wege ins Zentrum,
Querverschneidungen: "Lieber reingehen als rausgehen." In vielen Dörfern sehe
man, daß die Ortskerne zerstört würden, in dem alles nach draußen tendiere. "Man
läßt die Zentren sterben." Die sogenannten "Mußziele", das worauf
niemand verzichten könne, brächten aber die nötige Frequenz. Und da müsse man sich
überlegen, was notwendig sei und was ein beliebiger Supermarkt nicht übernehmen könne.
Raumplanung, Architektur, das greift ineinander und verlangt doch sehr unterschiedliche
Kompetenzen. Lechner bevorzugt als Architekt eine Position im Hintergrund. "Der
Bauherr sagt dem Architekten, was er machen möchte, was die Ziele sind." Dort setzt
dann die Umsetzungsarbeit an. Natürlich auf eine Basisverantwortung gestellt, "damit
die Hütt'n nicht unkontrolliert niedergeht." Das meint den technischen Aspekt. Doch
der Architekt ist auch für Interessensausgleiche zuständig. Was sind die rechtlichen und
politischen Belange? Was sind Anrainerinteressen und kulturelle Implikationen? Was sind
Einwirkungen und Auswirkungen eines Objektes für die Zukunft?
Darüber hinaus fragt er bald nach "Werten". Er kritisiert, daß heute zu gerne
von "verwertbaren Flächen" gesprochen wird, statt zu fragen, wie denn bestimmte
Flächen Werte schaffen können. Nicht im Sinn von Kapitalvermehrung. Geld sei ein Medium,
betont er, eine Tauscheinheit. Lechner formuliert das so: "Man muß sich fragen: was
ist einem Geld wert?" Er setzt provokant nach: "Was hat Geld für eine Rolle
gespielt, als man Kirchen gebaut hat?" Damit soll deutlich werden, daß wir uns
Räume, Häuser, eine Stadt nicht nur nach Fragen der direkten Verwertbarkeit gestalten.
Es geht auch um immaterielle Güter. Und das sind nicht immer "Notwendigkeiten des
Moments". Lechner sagt knapp: "Mich interessiert Wert." Er fordert
Tiefenschärfe im Blick und einen weiten Horizont. "Kurzfristige Ziele sind halt für
unsichere Leute nicht so beängstigend." Da könne man "Babyschritte"
machen. In Regionen gehe es aber noch um andere Dimensionen.
"Wir wollen alle nicht bloß passive Beobachter sein. Das liegt den Menschen
eigentlich nicht." Das werde heute alles abgefedert und Menschen fänden für das,
was ihnen wichtig sei, oft kein reales Gegenüber mehr. "Dafür sehen wir dann
gelegentlich unglaubliche Ausbrüche an Gewalt, die wir uns nicht erklären können."
Hier schließt sein Credo für reale soziale Begegnungen an. Man müsse sich mit anderen
darüber verständigen: "Wo will ich hin? Wonach ist mir in meinem Leben?" In
der Informationsgesellschaft sei alles da, "aber was mache ich damit?" Wenn
solche Diskussionen nicht mehr stattfinden, seien die Konsequenzen problematisch.
"Der unmittelbare kulturelle Kontakt unter Menschen ist mir heute zu reduziert. Man
muß doch oft erst einmal diskutieren: Was interessiert uns? Was finden wir
erstrebenswert?"
Natürlich seien solche Prozesse mühsam, riskant, auch manchmal unerfreulich. Aber dem
stellt er gegenüber: "Wenn man nicht weiß was man will, wird es meistens
teuer." Lechner gibt ein simples Beispiel. Man freue sich das ganze Jahr auf den
Urlaub, weil es da so toll sei. Aber da ist man vielleicht zwei, drei Wochen im Jahr.
"Ich will mich ein Leben lang freuen, wie es zuhause ist, wo ich doch die meiste Zeit
verbringe." Hier setze politische Verantwortung ebenso an wie das Engagement der
Menschen wichtig sei. Lechner betont: "Was ich verspreche, wollen die Leute auch
bekommen." Dazu stellt er in Kontrast: "Wenn ich beliebig werde, bin ich
weg." Was hier gefragt sei, beschreibt er als "der Wille zur Klarheit". Und
wieder: Prozesse, Diskussionen, ein Ringen um Ergebnisse.
|