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[15•02]

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Gleisdorfer Stadtjournal: "Stimmen" #13

Franz Lechner
Von Martin Krusche

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Er ist ein Arbeiterkind, erinnert sich an fröhliche und strenge Zeiten. Im Wald und bei den Fischteichen galt: Was ich mit bloßer Hand fange, gehört mir. Als Lehrbub hatte Lechner bei Wanek regelmäßig sein "Werkstatt-Wochenbuch" vorzulegen. Darin mußte in saubererer Normschrift und mit genauen Bleistift-Zeichnungen das erworbene Fachwissen nachgewiesen werden. Die 60er-Jahre. Weiz galt mit seiner Elin wirtschaftlich gegenüber Gleisdorf als dominant. Um den Preis eines BMW-Motorrades konnte man schon ein Puch-Auto bekommen. Dennoch hielt Lechner hier am Zweirad-Sektor fest, während andere Gesellen ihren Karriere-Traum mit dem Weg nach Deutschland verbanden.

Aus Asien kündigte sich ein Freizeit-Boom an: sportliche Motrräder zu erschwinglichen Preisen. Mitte der 70er war Lechner privat nach Wien gependelt, um sich von einem Japaner in der neuen Motorradtechnik schulen zu lassen. Bald gehörte er zu einem Kreis von zehn bis 15 österreichischen Spitzenmechanikern, die auf Honda, Kawasaki und Yamaha versiert waren. Abenteuerliche Zeiten. Nach der Arbeit ins Wochenende. Rucksack umgehängt. Aufs Motorrad, um irgendwo ein Straßenrennen zu fahren. Davon sollten Lechners Leute zuhause besser nichts wissen. Später, als erfahrener Motorradmechaniker, leitete er höchst erfolgreich Begleitmannschaften bei Motorrad-Grand Prix und Superbike-Rennen, begeisterte sich auch für den Rallye-Sport. Im Winter, außerhalb der Saison, kümmerte er sich um den Fan-Club des Volksmusik-Ensembles "Ennstaler Spatzen". Lechner führte immer ein sehr aktives Leben.

Im Jänner 1982 fiel er in einen Albtraum. Mitten in einem Nebelloch. Abends. Er stand am Bahnübergang der Umfahrung St. Ruprecht, der damals noch ohne Ampel war. Als er wieder anfuhr, war der Zug allerdings noch nicht vorbei. Lechner kollidierte mit dem 14. Waggon. Und wachte erst nach sechs Wochen wieder auf. Die Konsequenzen seiner Fehlentscheidung waren verheerend. Damals wußte er nicht, daß er nie mehr von Schmerzen frei sein würde. Das Ausmaß der Verletzungen hatte seinen linken Arm unbrauchbar gemacht, seinen Oberkörper verändert.

Verliert man so radikal seine Unversehrtheit, rückt einen das in der Welt an eine andere Stelle. Nicht bloß physisch. Erlebte Todesnähe entfremdet einen den nächsten Mitmenschen. "Ich glaube, für meine eigene Familie war das am schwersten." Nichts bleibt wie es war. Wie geht man damit um? Manche entscheiden sich für den Weg ins Selbstmitleid. Lechner entschied sich dafür, eine neue Normalität zu erringen: "Ich ertrag die Schmerzen gerne, weil ich gerne lebe." betont er den untrennbaren Zusammenhang zwischen Leben und verletzbarer Körperlichkeit. "Ich war immer sehr sportlich. Das hat mir geholfen." Heute muß eine Hand leisten, was andere mit zweien tun. "Durch alles, was mir gelingt, erlebe ich mich neu." Tätig sein. In Bewegung bleiben. Zum Beispiel in seiner Leidenschaft für Abenteuerreisen. Vor allem nach Afrika. Wo er beispielsweise für Motorradfahrer im begleitenden LKW den technischen Service sichert.

"Gerade wegen meiner Behinderung bemühe ich mich natürlich, alles möglichst gut zu machen." Lechner weiß, daß jeder Mensch Schwächen hat, die er auf anderem Gebiet mit starken Leistungen ausgleichen kann. Das ist keine Besonderheit von Behinderten. Obwohl die Behinderung bei manchen Menschen Vorbehalte auslöst. Bei anderen nicht: "Ich hab einen phantastischen Chef. Der Alois Neffe hat nie einen Moment daran gezweifelt, daß ich als Fachkraft für seinen Betrieb wichtig bin."



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