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[03•02]

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Gleisdorfer Stadtjournal: "Stimmen" #12

Günther Scheidl
Von Martin Krusche

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Für unser Interview bleibt momentan nur das Wochenende. Günther Scheidl, der in Gleisdorfs Volksbank als Kassier tätig ist, erzählt, daß die Arbeitstage im Schnitt eben noch bis 22 Uhr nachts dauerten. Erst seit drei Tagen erlebt er, daß der Job schon gegen 20 Uhr endet. Ja. Die Währungsumstellung auf den Euro. Doch er sieht das ganz unaufgeregt. "Aus den Weltsparwochen haben wir ja Erfahrung mit anstrengenden Situationen." Derlei Arbeitspensa bewältigt man mit einer Mischung aus jahrelanger Routine und hoher Konzentration. Die ist freilich nötig. Der Kassier haftet persönlich, wenn die Kasse nicht stimmt. Und: "Die ersten drei bis fünf Tage waren schon sehr arg."

Auf dem Weg zur neuen Währung zollt Scheidl der Kundschaft seine Anerkennung. "Die meisten waren sehr gut vorbereitet." Interessant ist auch, daß offenbar die meisten Menschen sich sofort komplett auf den Euro umgestellt haben. "Obwohl die Dualphase noch andauert." Man darf ja vorerst noch mit Schilling bezahlen. Scheidl: "Die kostenlose Umtauschfrist dauert bis Ende Februar. Dann werden die meisten Banken eine Bearbeitungsgebühr einheben." Außer Filialen der Nationalbank.

Scheidl ist seit rund 30 Jahren in diesem Metier tätig. Nichts weist drauf hin, daß diese Wochen ihn aus der Ruhe gebracht hätten. Es gäbe schon Umstellungsirritationen, sagt er. Einzelne Menschen würden dem Schilling nachtrauern. Aber die Haupttendenz geht offenbar zügig Richtung Neuorientierung. "Ab 15. Dezember ist es wild umgegangen." Da wurden die Startpakete ausgegeben. Es kamen sehr viele Silbermünzen und Kleingeld zurück. Er habe sich selbst schon vor rund einem Jahr vorzubereiten begonnen. Das Ungewohnte? "Die Routine im Umgang mit Geld hat man ja. Anfangs macht man alles ein bißl langsamer und besonders konzentriert. Man kommt schnell rein."

In seinem Beruf hat was anderes mehr Gewicht bekommen. "Wir haben ja mehr als früher mit Maschinen zu tun." Computergesteuerte Maschinen. Die Umstellung auf Euro, das hieß also auch dafür zu sorgen, daß alle Gerätschaften für die neue Phase angepaßt und funktionstüchtig sind. Für den Kassier bedeutet es überdies: "Man muß selbst technisch versierter werden. Man kann ja nicht dauernd bei irgendwelchen Störungen den Service rufen." Die Kundschaft will sich eben drauf verlassen, daß es mit der EDV klappt.

Auf der menschlichen Seite war man in den letzten Wochen vielleicht etwas mehr gefordert. Es kam schon vor, daß wartende Kunden sich in ihrer Geduld zu sehr strapaziert fühlten. Aber im wesentlichen, so Scheidl, haben die Menschen es sehr tolerant aufgenommen, daß am Schalter manchmal etwas länger dauerte als sonst.

Sein Arbeitsplatz bietet einen besonderen Blick auf die Welt. Denn die Konten der Menschen sind eine Art Lebensnerv. Diskretion gehört zum Job. "Ich seh natürlich schon, wer mit Geld umgehen kann und wer nicht." In seinen drei Jahrzehnten beruflicher Praxis hat sich die Situation sehr geändert. Interessant scheint, daß zwar "die Tendenz stark Richtung Konsum geht. Man will sich was leisten. Es werden heute Konten stärker überzogen als früher." Zugleich fällt ihm mehr Vorausschauendes beim Sparverhalten der Menschen auf. Und da vor allem bei der Jugend, "die sich um Fragen der Vorsorge kümmert und sich nicht auf den Staat verläßt." Er sagt: "Vor zehn Jahren hätte ein Jugendlicher da gelacht, wenn man ihm sowas nahelegt."

Veränderungen spiegeln sich eben in den Abläufen am Kassenschalter. Scheidl schätzt, daß man in zwei bis drei Monaten allgemein ein ganz gutes Gefühl für die neue Währung haben werde und nicht mehr dauernd in Schilling umrechnen müsse. Für Ende Februar rechnet aber nochmals mit Spitzen im Arbeitsaufwand. Dann dürfte die Umstellung für die Allgemeinheit bewältigt sein.



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