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Gleisdorfer Stadtjournal: "Spuren" #8 Anna Messner-Melchart Der vormalige Gasthof Messner-Melchart war ein Zentrum des öffentlichen Lebens in der Oststeiermark. Eine Plattform der Geselligkeit. An seiner Geschichte läßt sich sehr gut ablesen, wie sich die kulturellen Bedingungen dieser Gesellschaft abseits des Landeszentrums Graz im 20. Jahrhundert verändert haben. Das Gasthaus als Kristallisationspunkt des öffentlichen Raumes. Eine Funktion, die er, so meint Anna Messner, heute in solcher Form nicht mehr hat. Was sie vor allem auch mit der Mediensituation in Verbindung bringt. Und daß Jugendliche wie Alte sehr verschiedene Freizeitgewohnheiten entwickelt haben. Messner ist in der Gastwirtschaft aufgewachsen. Ihre Eltern, Anna und August Melchart, kamen aus dem Raum Fürstenfeld. 1927 kauften sie das Gebäude, welches damals schon ein Wirtshaus gewesen ist. "Wir haben Stück für Stück dazugebaut", sagt Messner. Es entsprach diesen Zeiten, daß Wachstum sich schrittweise zeigte, entlang der wirtschaftlichen Entwicklung des Landes. Die zunehmende Prosperität nach dem Zweiten Weltkrieg ließ das gesellschaftliche Leben nach neuen Plätzen verlangen. Der Saal, den man baute, ist dessen Ausdruck. In einer Tradition, die den Gasthof längst begleitete: Ort für jene Höhepunkte zu sein, die im Kontrast zum Lebensalltag standen. Messner darüber, was die anstrengende Arbeit lohnt: "Das Mitleben, wenn man den Menschen ihre Feste schön macht. Die Freude daran miterleben." Denn das sind oft bewegende Momente. "Wenn sie eine Geburt feiern, das Kind zur Taufe tragen oder jemanden beerdigen." Die Wirtin gibt der Freude und der Trauer einen speziellen Bezugspunkt. Mitte der 60er hat Messner den Betrieb von ihren Eltern übernommen. Lange Zeit war es der einzige Gasthof mit Saal in der Region. "Die Menschen kamen von überall her." Neben den Festen des Lebenslaufes gab es auch Bälle, Modenschauen, politische Veranstaltungen, "Und sogar einen Boxkampf haben wir dagehabt." In Spitzenzeiten führte das Haus über 20 Angestellte. "Da konnten auch 180 bis 300 Gäste zugleich ankommen." Bei entsprechender Vorbereitung. Viele werden sich erinnern, daß Messner einst die Gäste des TIP-Kirtags auf dem Hauptplatz bewirtet hat. Bevor der Individualverkehr seine neuen Formen annahm, war der Sonntag damit verbunden, daß man etwa per Bus zum Kirchgang kam und danach den Gasthof besuchte, bis einen der Bus wieder nach Hause brachte. Solche Zusammenhänge ändern sich natürlich laufend. Mit dem Bau des Stadt- und Pfarrsaales hatte Gleisdorf eine ganz neue Situation erhalten. Messner: "Und bei vielen Gasthäusern in der Umgebung von Gleisdorf haben die Jungen übernommen, einen Saal dazugebaut." Buschenschanken wuchsen ebenso zu begehrten Zielen. Das gesellschaftliche Leben war nicht mehr so zentriert. Wer erinnert sich noch, daß TV-Geräte keineswegs in jedem Haushalt zu finden waren? Auch das ist ein Grund gewesen, ins Gasthaus zu gehen. "Sportübertragungen", sagt Messner, "Weihnachtssendungen und natürlich die Löwingerbühne" hebt sie besonders hervor. Mit der Neugestaltung der Gleisdorfer Innenstadt, mit der Einführung der Fußgängerzone und des Einbahnrings habe sich die Situation des Zentrums völlig verändert. Ihr Haubenkoch hatte Furore gemacht, man hört heute noch über "den Parc" reden. Doch Messner trug den Veränderungen Rechnung und zog ihre eigenen Schlüsse daraus. Heute steht das Haus Reisenden offen. Als Frühstückspension. |
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