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Gleisdorfer Stadtjournal: "Stimmen" #11

Sepp Färber
Von Martin Krusche

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Sepp Färber ist Tischler. Man denkt: Handwerk. Was bedeutet das heute? Die Arbeitswelt verändert sich ständig. Da bleiben kaum beschauliche Motive übrig. Leistungsdruck, Preisdruck ... wenn sich an einem Fenster gerade mal 300 Schilling verdienen lassen, hat die Idee von der gediegenen Handarbeit keinen Platz. So sagt Färber: "Platten rausschießen oder Fenster zusammenbauen, das wollte ich nicht mehr." Er bemerkt: "Die goldenen Zeiten sind vorbei." Und mit dem Bereich Möbeldesign, mit dem feinen Handwerk ist es wie mit der Kunst. Nur wenige finden jenes zahlungskräftige Publikum, das so einen Weg erlaubt.

Deshalb hat Färber einen anderen Horizont gesucht. Er leitet heute die Tischlerei der Gleisdorfer "Chance B". Das bedeutet einerseits, Ausbildung und Produktion zu verbinden. Das bedeutet andrerseits, Bedingungen zu schaffen, in denen behinderte und nichtbehinderte Menschen den gestellten Aufgaben gemeinsam nachkommen können. Ein Brückenschlag zwischen handwerklichen und pädagogischen Kompetenzen, zwischen didaktischen und kaufmännischen Prinzipien.

Eine heikle Balance in einer Welt, in der laut Färber "kaum noch wer Lehrlinge ausbilden will. Was mir komisch vorkommt. Denn wo sollen dann die qualifizierten Fachkräfte herkommen?" Seine Aufgabe ist daher doppelt schwierig. Menschen mit sehr verschiedenen Handicaps sollen zu sachkundigen Hilfskräften ausgebildet werden. Entgegen der Tendenz von "beschäftigt werden und seine Zeit absitzen". Menschen, die üblichem Anforderungsdruck nicht gewachsen sind, wollen doch ernst genommen werden. Sie sollen, so Färber, lernen, daß es "mit der Arbeit ernst ist." Man dürfe sie nicht blind dem allgemeinen Anforderungsdruck aussetzen, müsse ihnen dennoch etwas abverlangen. Ein Überlegung, die bei näherem Hinsehen eigentlich auf jeden Menschen zutrifft.

Die Tischlerei hat also keinen reinen Schulcharakter. Es müssen Aufträge akquiriert werden. Da kommen Kundenwünsche ins Spiel. Dabei ist dann auch Effizienz ein Thema. "Der Anteil, den wir erwirtschaften müssen, wird laufend größer." sagt Färber. "Es ist nicht leicht, immer alles unter einen Hut zu bringen." Es muß eine Kundschaft gewonnen werden, die mit den speziellen Bedingungen des Betriebes etwas anfangen kann. Ohne daß man ihr Abstriche in der Qualität zumutet. Färber: "Kontinuierliche Produktivität heißt bei behinderten Menschen etwas anderes als in der normalen Wirtschaft." In dieser Kontinuität müssen auch therapeutischen Stationen Platz finden.

Färber: "Die Leute sind im Schnitt zwei Jahre zur Ausbildung bei uns. Dann läuft noch ein halbes Jahr Vermittlungsarbeit." Das heißt einerseits, die Behinderten brauchen Begleitung, um einen geeigneten Arbeitsplatz zu finden. Andrerseits brauchen manche Betriebe und ihre Belegschaften etwas Unterstützung, um sich das nötige Know how für die Situation anzueignen. Damit man weiß, was die neue Hilfskraft an Bedingungen braucht, um ihre Leistungen entfalten zu können. Damit allfällige Ressentiments aufgehoben werden können.

Färber: "Behinderte Menschen haben oft ein ganz bestimmtes Leistungsspektrum, innerhalb dessen sie ihre Arbeit sehr gut tun können." Außerhalb dieses Spektrums dürfe man sie nicht überfordern. Der Tischler äußert Stolz über die hohen Vermittlungserfolge, auf die er blicken kann. Er betont die Wichtigkeit des achtsamen Blickes. "Schauen, wer das ist. Wo steht er? Wo kann ich ihn abholen? Wie kann ich ihn in die nötigen Prozesse einbinden?" Fragen, die man sich wohl bei jedem Boß wünschen würde, egal, was der Job ist. Die falsche Kraft an der falschen Stelle ist überall verkehrt.

"Mein Einstieg in die Behindertenarbeit war ein Schritt in eine neue Welt. Ich hab sehr viel lernen müssen. Auch mich selbst besser kennenlernen. Was sind meine Werte? Meine Moralvorstellungen?" Färber sagt: "Behinderte haben keine mächtige Lobby." Und: "Mein Menschenbild hat sich durch diese Arbeit sehr verändert. Achtsamkeit ist ganz, ganz wichtig. Damit man den Dingen gerecht wird." Zugleich legt er offen, daß einem sowas natürlich nicht dauernd gelinge. Aber man müsse sich darum bemühen. In all dem mag man annehmen: so ungewöhnlich diese Tischlerei auf ersten Blick erscheinen könnte, genau betrachtet befaßt sich Sepp Färber mit Anforderungen, die jedem Betrieb gut stehen würden.

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