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Gleisdorfer Stadtjournal: "Spuren" #6

Edith und Johann Gartner
Von Martin Krusche

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Unsere Zeit gilt schon lange als schnelllebig. Das hat unter anderem mit enormen Veränderungsschüben in allen Lebensbereichen zu tun. Manche Menschen haben eine erstaunliche Qualität entwickelt, darin ihren eigenwilligen Lebensentwürfen Dauer zu geben. Wie Edith und Johann Gartner, die nun seit 40 Jahren Eheleute sind. Und Geschäftsleute. Auf einem Terrain, das mindestens in den letzten zwei Jahrzehnten von großen Firmenketten weitgehend übernommen und begradigt worden ist. Gartners betreiben seit dem 11. September 1961 in der Gleisdorfer Franz Josefstraße ein Lebensmittelgeschäft. So genau weiß es die Frau noch. Auf den Tag. Am 2. Juli hatte das Paar geheiratet, am 1. September war es nach Gleisdorf gezogen, zehn Tage danach wurde aufgesperrt.

Anfangs war der Laden kaum größer als ein schönes Wohnzimmer. Mit einem kleinen Magazin an der Rückseite. Johann Gartner: "Das ist schon 100 Jahre ein Geschäft." Vormals Zellnig, dann Dasch. "Meterware, Hemden, Unterwäsche, ein bißl Lebensmittel." Einst war da vor allem bäuerliche Kundschaft, die kaum mehr als Grundnahrungsmittel brauchte. Mit der Zeit und mit dem langsam steigenden Lebensstandard der lokalen Bevölkerung verlagerten sich auch die Bedürfnisse der Menschen. Edith Gartner, die den Feinkostbereich entwickelt hat, begann etwa Mitte der 60er-Jahre mit einer kleinen Vitrine und Dauerwurst. Die Spezialisierung nahm zu. Die Vielfalt ebenso. "In Gleisdorf haben sich halt die verschiedenen Geschäftssparten herausentwickelt."

Johann Gartner stammt aus Feldbach und ist mit dem Textilbereich gut vertrat. Edith Gartner ist Friedbergerin, hatte Eisenhandel gelernt. "Ich komme aus einer Spenglerei." Sie stellte sich schnell um, als die beiden durch Zufall erfuhren, daß das Geschäft von Dasch zur Übernahme bereit stünde. Durch die 60er-Jahre, bis 1970, hielt man jeden ersten Sonntag im Monat von acht bis zwölf Uhr offen. So hatten vor allem die Leute aus der Umgebung eine gute Möglichkeit, nach dem Kirchgang noch einzukaufen. "Die Kammer hat das dann abgeschafft", erzählt Johann Gartner. Wie bewältigt man Wandel, ohne auf Beständigkeit zu verzichten? Einst wurden in Gleisdorf und Umgebung 24 selbstständig geführte Lebensmittelgeschäfte gezählt. "Heute sind wir nur mehr zwei." Edith Gartner betont, daß die Verkehrslage entscheidende Bedeutung habe. Wer nicht im Blickfeld stehe, wer keine Parkplätze anbieten könne, sei aus dem Rennen. Obwohl das Paar nach wie vor kostenlose Zustellung leistet, hatte der Bereich des herkömmlichen Sortiments an Tragfähigkeit verloren. Auch weil das Geschäft, trotz dreier Umbauten, nicht nennenswert vergrößert werden konnte. "Das Haus steht unter Denkmalschutz. Da darf außen nichts geändert werden."

Die Gartners haben insgesamt 28 Lehrlinge ausgebildet. Da ist Stolz auf den Ruf, gute Kräfte in die Welt geschickt zu haben. Heute müssen das andere leisten. Mit Angestellten ließe sich das Konzept der beiden nicht mehr durchführen. Laufende Veränderungen, Preis- und Konkurrenzdruck ... "Man muß beweglich bleiben." sagt Edith Gartner. Das hieß für sie: eine Nische schaffen, sich spezialisieren. Denn: "Es schlaft keiner mehr." Man muß ständig reagieren können und in manchem anderen voraus sein. Das wurde Gartners Weg in den Feinkostbereich. Gute Jause für die alltägliche Kundschaft, Brötchen für Feste und andere Anlässe, Geschenkskörbe ... Mit einem hohen Qualitätslevel und auf der Grundlage "Anruf genügt!", mit Lieferzeiten, die andere nicht schaffen. Das bedeutet nötigenfalls, um vier Uhr morgens das Weißbrot beim Bäcker zu holen. Damit der Auftrag in einer Mischung von Routine und Einfallsreichtum zum Termin bewältigt ist. Auch wenn es 500 bis 800 Brötchen sind. Gute Vorbereitung, zügiges Wegarbeiten. "Da bleibt nicht einmal Zeit zum Naschen." sagt sie augenzwinkernd.

Das heißt überdies, die zehntausendmal gleichen Handgriffe zu ertragen. Ein seltsames Kontinuum der Wurst- und Käsesorten, Gurkerln, Senf und Mayonnaise, Kapern, Fisch und Petersil; was eben alles zu Raffinesse der Happen beiträgt. In einem Auf und Ab der Lebenszeit. In einer Arbeitshaltung und mit einem Konzept, woraus sich eigentlich keine Nachfolge ableiten läßt. Der durch und durch persönliche Entwurf eines Paares, das sein Unternehmen ist. Mit der immer wiederkehrenden Ermutigung durch zufriedene Kundschaft.

Das handelt weder von Urlaubsideen, noch von herkömmlichen Freizeitentwürfen. Johann Gartner war übrigens zwölf Jahre Obmann des Sportklubs SC 1919 und im hiesigen Feuerwehrkommando tätig. Für Edith Gartner beginnt der Tag mit einem morgendlichen Lauf. Beide Gartners legen Wert auf ein gutes und vor allem gemeinsames Frühstück. Dann geht es ins Geschäft. "Ich koche jeden Tag selbst." sagt sie. Die Rituale der Gemeinsamkeit geben Halt. Man weiß, wer man ist und wo man steht.



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