Gleisdorfer
Stadtjournal
[31•01]

Features
und Reportagen


Gleisdorfer Stadtjournal: "Stimmen" #8

Siegbert Rosenberger
Von Martin Krusche

rosenberger.jpg (13312 Byte)

Die Geschichtsbetrachtung bietet ihm jene durchgehende Dimension, jenen erweiterten Blick, in denen das aktuelle Geschehen seinen besonderen Kontrast erhält. Siegbert Rosenberger, der nun als Pädagoge in Pension geht, hält wenig von schnellen Effekten und lautem Aktionismus. Er weiß, daß menschliche Gemeinschaft etwas sehr Komplexes ist. Mit oft verdeckten Zusammenhängen. So will jeder Zugriff mit Bedacht getan sein, denn die Auswirkungen entziehen sich dem Akteur leicht in ihrer Vielschichtigkeit.

Rosenbergers breites Engagement im Gleisdorfer Gemeinwesen hat ihn offenbar große Aufmerksamkeit gelehrt. Seine Tätigkeit für das Rote Kreuz, sein Amt als Hauptschuldirektor, seine politischen Aktivitäten, einige Zeit als Vizebürgermeister, seine Fragen nach den sinnvollen Maßnahmen – Rosenberger betont, man brauche Bezugspunkte, müsse für einen weiten Horizont sorgen. "Die Geschichte lebt davon, daß immer alles anders wird. Das ist sehr spannend." In der Zeitdimension sucht er Orientierungshilfen. "Wenn was Neues kommt, schreie ich auch nicht gleich hurra." Er will Neues mit Gewesenem vergleichen können. Da ist die Frage: Was hat Bestand? so wichtig wie die Frage: Was soll geändert werden?

Lehrer zu sein, sagt er, war sein Leben. Obwohl der Vater ihm einen kaufmännischen Weg nahegelegt hatte. "Ich wollte immer Lehrer werden. Seit ich in die zweite Klasse Volksschule gegangen bin." Der Umgang mit jungen Menschen bedeutet ihm viel. Auch wenn Schwierige darunter sind. Oder eben deshalb. "Als Lehrer sage ich, du mußt sie mal so nehmen, wie sie sind. Jeder hat eine Seite, wo er auch gut ist. Und da muß man ihn kriegen. Wer läßt sich schon gerne stutzen? Auch ein Zwölf-, Dreizehnjähriger nicht."

Jemanden zu missionieren, an eine bestimmte Position zerren zu wollen, hält Rosenberger für einen "Prozeß der Ungerechtigkeit. Ich will selbst auch nicht vereinnahmt werden." Er sagt: "Jeder soll sich entfalten können. Es muß vieles Platz haben." Zugleich hält er die Beachtung von Vereinbarungen für unverzichtbar. Die Vorstellung, alles sei leicht zu regeln, werde in der Politik oft zu gerne strapaziert. Rosenberger: "Dieses `Wenn ich was zu sagen hätte´, diese Vorstellung von einfachen Lösungen, das funktioniert halt nicht. Da gibt es Gesetze, Regelungen, das ist das tägliche Brot der Kommunalpolitik. Viele Leute sagen dann lieber: `Aha, du willst nicht´.

Rosenberger ist keiner, der sich in einer ständig komplexer werdenden Welt der Verlockung des Simplifizierens ergibt. Er sieht, daß gesellschaftliche Institutionen ihre ursprünglichen Bedeutungen verlieren. "Große Einrichtungen werden fragwürdiger." Dazu kommt: "Wenn man lange lebt, ändern sich Blickwinkel und Einstellungen." Das müsse man akzeptieren, daß jemand eine andere Meinung entwickelt. "Mit einem Begriff wie Gesinnungstreue kann ich nichts anfangen." Rosenberger plädiert für Wachheit und das Augenmerk auf Prozesse. "Wenn mich nichts mehr interessiert und neugierig macht, bin ich eh schon gestorben."

Kommenden Herbst wird Rosenberger sein Geschichtsstudium wieder aufnehmen. "Ich freu mich sehr darauf. Ich brauche wieder eine echte Herausforderung." Außerdem gibt es Pläne für ein weiteres Buch. Es wird dabei um das historische Gleisdorf gehen.



[Andere Portraits] [Martin Krusche: Home]
[core] [kontakt] [reset] [home]