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[21•01]

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Gleisdorfer Stadtjournal: "Stimmen" #6

Markus Kurtz
Von Martin Krusche

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Markus Kurtz stammt aus Gleisdorf und arbeitet in den USA. Sein Geschäft sind "Visual Effects". Als Supervisor der Firma Digital Domain realisiert er knifflige Wünsche von Film-Ressigeuren. Details der "Titanic". Der Schlitten des "Grinch". Solche Dinge. Gestützt auf menschliche Kreativität, komplexe Rechenmodelle und sehr leistungsfähige Computer werden so im Film Momente sichtbar, die in der Realität nicht zu bezahlen wären. Oder die es überhaupt nicht gibt.

Die amerikanischen Arbeitsbedingungen sind gewöhnungsbedürftig. Wenn Schauspieler und Drehbuchautoren streiken, reagiert die Börse, die Kurse fallen und die Firma feuert Leute. "Du kriegst am Morgen ein Telefonat und zu Mittag bist du weg." Auf solchem Terrain muß man immer in Bewegung bleiben, sehr vorausschauend agieren. "Das ist die beste Vorbereitung für eine berufliche Selbstständigkeit in Österreich."

Kurtz hat in Linz visuelle Mediengestaltung studiert. Die Computeranimation war da noch eine ganz junge Disziplin. "Wir haben herumexperimentiert, mit welcher Software man überhaupt was Interessantes machen kann." Kurtz arbeitet gewissermaßen daran, durch Medienanwendung Realität zu erzeugen. Oder wenigstens einen realistischen Eindruck davon.

"Wir kommen mit unseren Systemen nicht annähernd an das heran, was die Natur in Echtzeit schafft." Aber das Auge läßt sich überlisten. Weil unsere Wahrnehmung sowieso vieles "wegfiltert", was an Eindrücken an uns herankommt. Wie der Maler in einem flüchtig scheinenden Bild "das Wesentliche" eines Motives festhält, so daß wir es erkennen können, sucht Kurtz ständig nach der Essenz eines Vorganges. "Wenn ich auf dem Parkplatz eine Zigarette rauche und in die Wolken schau, zerbrech ich mir den Kopf: Was ist der Schlüssel, daß es so aussieht? Was macht die Wolken aus?"

Er weiß, daß das Publikum visuelle Effekte auf der Leinwand ständig mit dem vergleicht, was man in der Alltagserfahrung erlebt. "Wie dieser Vergleich ausgeht, davon hängt ab, ob sie uns eine Szene abkaufen." Er kann dabei die Natur nicht einfach abbilden, das würde zu "künstlich" erscheinen. Er kann sie auch nicht "nachbauen". Dazu fehlt wenigstens die Rechenkapazität. Kurtz muß herausfinden, wie die Natur funktioniert und das dann mit den verfügbaren Mitteln simulieren. "Es ist nicht schwer, ein vom Computer animiertes Glas zu zeigen. Aber wie sich die Flüssigkeit darin verhält ..." Man nennt das "Fluid Dynamics".

Wirklichkeit zu erschaffen ist also ein sehr schwieriges Geschäft. Was physikalisch korrekt ist und was realistische aussieht – dazwischen liegt manchmal sehr, sehr viel. Kurtz ist dabei auf die Mathematik und auf naturwissenschaftliches Know how ebenso angewiesen, wie auf klug entwickelte Computerpropramme, die das Erkannte so formulieren, daß daraus ein brauchbares Werkzeug wird. Auf Computern, wie sie Laien eher nie zu Gesicht bekommen.

"Das Teuerste an solchen Projekten ist oft die Schlußphase," sagt Kurtz. "Die Effekte werden großgerechnet und auf Film belichtet." Dann geht das gesamte Team in den firmeneigenen Kinosaal und ackert die Szenen durch. Wieder und wieder. "Der Producer sagt: Paßt schon! Der Kreative sagt: Reicht nicht! Das ist schließlich eine Frage des Budgets." Oft spürt man, daß was an der Szene nicht stimmt, ohne sagen zu können, was es genau ist. Das sind Dinge wie: Steigt der Rauch richtig auf? Sollte er dicker oder dünner sein? Fliegen die Vögel besser da oder dort? Sollen welche durch den Rauch fliegen? Kurtz augenzwinkernd: "Ich staune oft darüber, wie die Natur das schafft, alles in Echtzeit zu machen." Wenn man die Natur nicht abfilmt, sondern in einem Ausschnitt selbst "erschafft", gibt es eben immer tausende Möglichkeiten, alles anders zu machen. Hier zu Lösungen und Entscheidungen zu kommen, ist der Job von Markus Kurtz.

Während er beruflich mit sehr großen und ebenso teuren EDV-Anlagen zu tun hat, nutzt er privat Konfektionsgeräte. "Zuhause plage ich mich auch mit einem 56 K-Modem herum." Da geht es ihm bloß um E-mail-Korrespondenz und um schnelle Informationswege im Internet. "Ich bewerte einen Website danach, wie gut die Informationen aufbereitet sind. Und wie schnell ich sie finde. Und wie wenig Schrott ich mit herunterladen muß, um sie zu kriegen."

Von laufenden Bildern via Internet hält er wenig. "Auch schnelle Kabel sind dafür im Moment noch viel zu langsam." Von den Einschränkungen in der Bildqualität gar nicht zu reden. Das sieht er vorerst als geschiedene Bereiche: Film und Internet. Außerdem erwähnt er ein kulturelles Problem. "Rund hundert Jahre waren wir gewohnt, Film für authentisch zu halten, wenn das Filmkorn sichtbar ist." Digitale Filme, bei denen es keinen eigentlichen Film gibt, haben auch kein solches Korn, wirken ganz anders. Kurtz: "Diese Sehgewohnheiten werden sich nicht so schnell ändern lassen."



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