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[21•01]

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Gleisdorfer Stadtjournal: "Spuren" #5

Elisabeth Thurmmayer
Von Martin Krusche

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Das Stammhaus in der Bürgergasse wurde vor über 400 Jahren erstmals schriftlich erwähnt. Hofstatt. Handelshaus. Pferdemattstelle. Manche der Begriffe und Funktionen sind aus unserem Alltag längst verschwunden. Also: Ermattete Pferde konnten hier einst eingestellt werden, um wieder zu Kräften zu kommen. Im hinteren Teil des Anwesens. Vorne bahnte sich das spätere Geschäftsleben an. Der Schwiegervater von Elisabeth Thurmmayer hatte hier ein kleines Spezereigeschäft eingerichtet. Die Basis dafür war von dessen Vater, einem Zimmermann, im 19. Jahrhundert gelegt worden. Anton hießen sie alle, bis zu ihrem Ehemann.

Kleine, von einander getrennte Häuser. Seile. Spiritus. Einige Zeit war hier auch eine Obstverwertung angesiedelt. Ziegelbecken im Boden hinter dem Haus. Maischebottiche. Damals die Anfänge der "Steirerobst". Wo heute die Tortenvitrine steht, gab es in den 60er-Jahren noch einen kleinen Friseurladen. Früher war es ganz normal, auf kleinstem Raum zurechtzukommen.

Anton Thurmmayer wollte eigentlich auf Textilien setzen, hatte schon einen Posten in Graz. Familiäre Gründe legten aber nahe, den elterlichen Betrieb zu übernehmen. Was erst noch sehr in der alten Zeit verhaftet geblieben war, begann langsam zu florieren, als ein Automobil ins Haus kam. Dadurch war es Thurmmayer möglich, in Graz frisches Obst und Gemüse einzukaufen. Seinerzeit noch rares Gut in Gleisdorf. Etwa Bananen. "Da fing das Geschäft zu laufen an." sagt die heutige Chefin. Es mußte Raum gewonnen, der Laden vergrößert werden. Die beiden Gebäude wurden verbunden. Aus ursprünglich 40 bis 50 m² wurden schließlich 270 m².

Elisabeth Thurmmayer kommt ursprünglich aus dem Schmuckhandel. Die gebürtige Fürstenfelderin war mit Uhren und Juwelen vertraut. "Mein Sohn wollte kein Kaufmann werden, hat Koch gelernt." Eine erste Weichenstellung? Inzwischen war der Lebensmittelmarkt, wie sie sagt, durch die großen Ketten gesättigt. Man mußte sich allerhand einfallen lassen, um konkurrenzfähig zu bleiben. Also fügte sie dem Lebensmittelgeschäft ein kleines Café an. Jausen zuzubereiten gehörte ohnehin zum üblichen Service im Geschäft. Das wurde so noch verbessert. Und wenn man die Einkäufe erledigt hatte, konnte man kurz eine gesellige Pause einlegen.

Die Publikumsreaktion war so ermutigend, daß das Café 1998 zu einem kleinen Speiselokal erweitert, eine Küche dazugebaut wurde. Elisabeth Thurmmayer ist keine, die sich auf Erlebtem ausruht. Mit Mitte 40 machte sie einen Intensivkurs, der bringen mußte, was andere in vier Lehrjahren absolvieren. Küchenbelange, Personalangelegenheiten, Rechtsfragen ... und nicht zuletzt rund 300 Fachbegriffe in französischer Sprache. "Ich hab Tag und Nacht gelernt." Mit dem Ergebnis, daß sie glänzend bestand. Und dadurch berechtigt war, ein Lokal zu führen. 45 Sitzplätze. Zu einer Zeit, wo die Gastronomie in Gleisdorf nicht gerade ihre Blüte hatte.

Vorne bestand immer noch das Lebensmittelgeschäft. Hinten war der Betrieb innerhalb kurzer Zeit völlig überlaufen. Es gab schlicht zu wenig Platz für die Gäste. Zugleich bescherte die neue Einbahnregelung in der Stadt dem Laden innerhalb einer Woche 30 Prozent Umsatzminus. "Die Laufkundschaft ist weggefallen. Durchreisende haben nicht mehr hergefunden. Wir sind auf der Straße gestanden und haben Autos gezählt. Da ist nichts mehr gegangen."

Damit war die Neuorientierung überfällig. "Ein Jahr hab ich das Lebensmittelgeschäft noch mitgeschleppt. Aber wenn die Verkehrslage nicht paßt, kannst du es auch mit Qualität nicht machen." Nach 28 Jahren im Lebensmittelhandel ging sie daran, "einen 100 Jahre gelaufenen Betrieb völlig umzukrempeln. Ich hab meinen Fünfziger auf der Baustelle gefeiert." Sie erlebte, daß ihr gastronomischen Konzept sehr gut ankam. "Ich bin auch immer gerne an anderen Theken gesessen und hab mir die Abläufe ganz genau angeschaut. Wie man gut ißt und wie man richtig aufdeckt, hab ich eh schon gewußt."

Sie wußte auch, daß die Theke ein "Ort der Offenbarungen" ist, wo Menschen oft erzählen, was in ihrem Herzen ist. "Diskretion", sagt Thurmmayer, "ist da selbstverständlich. Das hat halt auch mit Vertrauen zu tun. Wer an die Theke kommt, will meist reden oder gesellig sein. Wer sich gleich an einen Tisch setzt, will eher in Ruhe gelassen werden." Sie freut sich, daß Menschen mit Anliegen an sie herankommen.

Thurmmayer scheint eine erfahrene Problemlöserin zu sein. "Man darf Probleme nie anstehen lassen, sonst werden sie nur größer. Man muß sie sofort angehen. Nicht warten, ob was daherkommt. Das gibt´s nur im Märchen. Freilich gibt's auch Rückschläge. Die muß man wegstecken. Die darf man nicht ewig mitschleppen, sonst ist man für die nächsten Vorhaben gehemmt." Geschäftliche Risken seien normal. "Ein gutes Konzept, ordentlich geschöpft, große Auslagen, nichts geblieben, also eine Nullpartie, das gibt´s im Geschäftsleben halt auch." Das Lokal hat 16 Stunden am Tag geöffnet. "Ich bin immer in der Nähe." sagt sie. Und sie wirkt, als habe sie noch sehr viel vor.



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