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[12•01]

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Gleisdorfer Stadtjournal: "Spuren" #3

Putzerei Veronika Steinmair
Von Martin Krusche

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Die zweite Hälfte des eben vergehenden Jahrhunderts ist hierzulande symbolhaft von einem "Dreisprung" der Elektrogeräte geprägt. Erst kam der Kühlschrank ins Haus, danach die Waschmaschine, schließlich das Fernsehgerät. So haben es viele erlebt. Daran erinnert sich auch Veronika Steinmair. Den elektrischen Kühlschrank besaß sie seit ihrer Hochzeit. 1950. Mitte der 50er "war ich die Zweite in Gleisdorf, die so eine Eudora gekauft hat." Automatik? Keinswegs. Ein Elektromotor für die Trommel. Das Wasser mußte man mit einem Schlauch einfüllen. Die haltbarere Nirosta-Trommel wurde später nachgerüstet. So war das damals.

Der erste Fernseher kam 1960 ins Haus. Zu der Zeit waren Waschmaschinen noch längst nicht selbstverständlicher Bestandteil aller Haushalte. In den Kellern mancher Häuser kann man heute noch mit Feuer beheizbare Waschkessel finden. Relikte kraftraubender Handarbeit. Die Wäscherei Steinmair in der Franz Josefstraße ist der Handlungsort einer leidenschaftlichen Geschäftsfrau gewesen, deren Leidenschaft das Geschäftliche als Anlaß zur Begegnung mit Menschen nahm. Ihren Schwiegereltern gehörten ursprünglich eine Mühle und ein Sägewerk. Da aber ihr Mann beruflich andere Wege gehen wollte, trennte man sich von diesem Betrieb (heute "Felber").

Steinmair sagt: "Ich in ins Geschäft hineingeboren. Ich liebe den Kontakt mit Menschen." Also sah sie sich nach einem geeigneten Unternehmen um. Die Geschäftsidee kam ihr in den Sechzigern beim Besuch einer Messe. In Graz gab es zu der Zeit schon Waschsalons. Derartiges schwebte ihr für Gleisdorf vor. "Am 19. September 1966 hab ich eröffnet." Da war ursprünglich ein Gasthaus. Zötsch. Steinmair hatte das leerstehende Extrazimmer gemietet. Ein weiteres Beispiel, mit welch bescheidenem räumlichen Rahmen (aus heutiger Sicht) damals Betriebe aufgebaut wurden. Dort waren übrigens seinerzeit der Cafetier Hans Grimm und der spätere Viezbürgermeister Wolfgang Wagner als Betreiber einer "Matratzenbar" aktiv gewesen.

"In der Stadt gab es schon eine Vollreinigung." Also eine Putzerei, die auch schwierige Stücke bearbeiten konnte. So setzte Steinmair einen anderen Akzent. Sie wollte neben der chemischen Reingungsmaschine auch einige normale Waschmaschinen aufstellen. Für all jene, die selbst noch keine zuhause stehen hatten. Das fiel dann aus gewerblichen Gründen. Sie wundert sich noch heute. "Für die normalen Waschmaschinen hätte ich eine eigene Prüfung machen müssen."

Münzautomaten, wie man sie in Graz in Waschsalons finden konnten, wurden in Gleisdorf von der Kundschaft nicht angenommen. "Die chemische Reinigung", sagt Steinmair, "hat sich langsam entwickelt." Man empfahl den Kunden, es mal mit einem Pullover oder Anzug zu probieren. Das Interesse daran wuchs. Schließlich gab es genug Materialien, die für eine konventionelle Waschmaschine zu heikel waren. Viele erinnern sich gewiß auch an die hohen Zeiten der Kunstfasern, die als sensationelle Neuigkeit gepriesen wurden und kuriose Namensschöpfungen wie Perlon, Dralon etc. in die Welt brachten.

Die Substanz, mit der die Reinigungsarbeit gemacht wird, heißt Perchloräthylen, kurz "Per" genannt. Das Reinigungsmittel ist farblos, nicht brennbar, als weit verbreitetes Lösungsmittel aber Anlaß für sorgsamen Umgang. Steinmair: "Wir haben strenge Auflagen und regelmäßige Kontrollen." Als die chemischen Reinigungen in den 80ern in Verruf kamen, mußten manche zusperren, weil sie von den neuen Vorschriften wirtschaftlich überfordert waren.

Steinmair zeigt mir die imposante Reinigungsmaschine, deren Vorderfront wie ein zu groß geratenes Haushaltsgerät wirkt. Aber wie in Kegelbahnen gibt es daneben ein geheimnisvolles Türchen, das in einen Raum hinter der Maschinenfront führt. Was dort ist, bekommt selten jemand zu Gesicht. Auf einen ersten, flüchtigen Blick könnte man sich auch in den Führerstand einer Dampflokomotive versezt fühlen. Ein Wassergekühler Apparat, dessen Reinigungsmittel (das Per) in einem geschlossenen Kreislauf zirkuliert. Die Schmutzstoffe werden dem Per in einem Destillationsprozeß entzogen. Neben der Reinigungsmaschine steht eine kleine Wiederaufbereitungsanlage für weitere Zwischenschritte zur Entsorgung. Die heiße Abluft wird mit einem Gebläse durch einen Kohlefilter gedrückt und so gereinigt.

"Meine dritte Maschine." sagt Steinmair. Jetzt müßte sie aufgrund neuer Bestimmungen die vierte anschaffen. Eine Millioneninvestition wäre fällig. "Das werde ich mit meinen 72 Jahren nicht mehr angehen." Es hat sich auch die Marktsituation sehr verändert. Die alte Fasson lautete: "Das neue Gewand für schön. Wenn es etwas abgetragen ist, für den Alltag. Wenn es dafür zu schlecht ist, für die Arbeit, Dann wirds weggeschmissen." Die Konsumgewohnheiten sehen heute ganz anders aus.

Steinmair, die sehr selstbewußt hinter ihrem Ladentisch steht und Humor ausstrahlt, betont, daß ihr die Kundschaft und der Kontakt zu den Menschen unendlich abgehen werde. Sie sagt mit einem Augenzwinkern, die Pension sei eine gefährliche Sache, die niemand überlebe.



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