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Gleisdorfer Stadtjournal: "Spuren" #2

Kaufhaus Mörath
Von Martin Krusche

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Eine Geschichte, die für diese Region exemplarisch ist. Das Kaufhaus Mörath, heute unter der Geschäftsführung der Geschwister Andrea und Gregor, war ursprünglich ein landwirtschaftlicher Betrieb. Im Zentrum Gleisdorfs. Dahinter führte dazugehöriger Grund in einem schmalen Steifen stadtauswärts. Der Ururgroßvater Gregors hatte von St. Johann bei Herberstein ins "Haus Augustin" geheiratet. Wie die meisten Wirtschaften der Region war auch diese auf Selbstversorgung ausgelegt. Nicht auf Produktion für den Markt. Man hielt Pferde, Kühe und Schweine, Kleintiere. Neben den straßenseitigen Wohnräumen entstand ein kleiner Bauernladen. Das meinte einst ein Geschäft, in dem Bauern einkaufen, was sie selbst nicht produzieren. Zucker, Salz und Gewürze. Kaffee. Petroleum. Leinen. Solche Dinge.

Der Laden war zuerst das Nachrangige. Was an dem Anwesen Bauernhof war, spielte noch bis in die 60er-Jahre hinein eine Rolle. "Die Großmutter saß im Geschäft", erzählt Gregor, "der Großvater saß lieber im Weingarten." Der Wein galt als eher sauer, aber wohltuend, und sei vom Doktor August Kurtz den Patienten bei allerlei Beschwerden empfohlen worden.

Zur Aufbewahrung der Dinge war das Geschäft zur Gänze mit sogenannten "Schupfladeln" ausgestattet. Noch heute kann man in der Oststeiermark die Berufsbezeichnung "Ladelschupfer" hören. Im Büro der Möraths hängt ein altes Marienbild, dessen Rückseite eine kleine Firmenchronik trägt. "Schaufenster eingebaut 1928." liest Gregor zum Beispiel.

1970 wurde vorne der Wohnraum aufgegeben, das Geschäft "gerade gemacht" – also vergrößert. Die Oma hatte noch Bauern als Kundschaft gehabt, eher keine Stadtleute. Die wirtschaftlichen und sozialen Veränderungen der Stadt verlangten nach Expansion und neuen Ideen. Ein Motiv, daß sich bis in die Gegenwart hält. "Wir haben dreimal umgebaut."

Der hintere Wirtschaftstrakt fiel. Stallungen, Gesinderäume, Waschküche... Gregor: "Die Konkurrenz wächst. Wenn du nichts tust, bleibst du stehen. Wenn es zu spät ist, kannst du nichts mehr tun." Nach seiner Einschätzung müsse man gerade im Lebensmittelhandel ständig in Bewegung bleiben. Die großen Ketten drängen mit einer Wucht und Kapazität auf den Markt, daß einzelne Kaufleute laufend gefordert bleiben.

1955 kam der erste Kühlschrank ins Geschäft. 1965 heirateten die Eltern. Der Vater hatte mit dem Fahrrad beim Großhändler Orangen geholt. Das war damals Neuerung. Er forcierte die Textilabteilung, wo die Spannen etwas verlockender waren.

Mit dem Auftauchen der Supermärkte bekam der Wunsch Kaufmann zu sein ganz andere Bedingungen. Gregor erzählt, daß laut Expertenmeinung alles, was unter 400 Quadratmetern Geschäftsfläche habe, schon bald verschwinden werde. Was heißt es, unter solchen Bedingungen konkurrenzfähig zu bleiben und seinen Beruf zu sichern? Was ist dazu notwendig?

Gregor betont, daß es ohne Liebe zum Beruf und intensives Engagement nicht zu schaffen sei. Daß man sich auf die Familie stützen müsse, aber auch – wie in jedem guten Betrieb –, motivierte Leute brauche. Von einer Topkraft könne sogar er noch lernen. "Menschenkenntnis. Freude am Verkaufen. Und Disziplin." Das seien Grundlagen, um in der aktuellen Konkurrenzsituation zu bestehen. Gregor: "Heute entsteht ja Zuwachs oft, indem jemand im Ort zusperrt. Es gibt einen harten Verdrängungswettbewerb. Das hat vor etwa zehn Jahren angefangen. Wachstum auf Verdrängung." Er sagt das nicht in einem klagenden Ton, sondern analysiert die Bedingungen seiner Existenz. Der Arbeits- und Zeitaufwand steigt. Die Großen setzen auf Fläche und Chemie. Ware hinkarren und kassieren, das ist natürlich kein Weg für ihn. Für seine Zukunft zählen Qualität und Frische. Kleine Einheiten, zeitgemäß, für kleine Haushalte. Ausgesuchte Lieferanten. Service, wie das Zustellen von Waren. Brötchen für Parties.

"Ich muß gegen den Strom schwimmen. Anders sein als andere." Von den Großmärkten könne er nichts lernen. Und Kollegen würden quer durch die Steiermark wegbrechen. "Da wird vielen der Druck zu groß. Das Tempo hat durch die Verbreitung von Computern und durch neue Logistiksysteme enorm zugenommen. ISDN ist vielen schon zu langsam."

Die Tendenz: Spannen sinken weiter. Das Personal muß gehalten werden. "Es ist alles knapp besetzt. Wenn wer krank ist, wird’s eng. Man braucht sehr motivierte Leute, die das alles mittragen." Wie kann man unter solchen Bedingungen Kaufmann bleiben, ohne von Konzernen geschluckt zu werden? Man muß seine Leute gut behandeln, sagt Gregor. Und: "Ich muß dauernd gute Ware auftreiben. Ständig dazulernen. Man darf neue Entwicklungen nicht übersehen."

Fragt man, wo es noch Geschäfte mit vergleichbarer Größe und Konzeption gäbe, nennt er Feldbach und Passail. Viele sind nicht geblieben. Dennoch planen die Möraths gerade einen weiteren Schritt und einen neuerlichen Umbau. "Wenn es eine Zukunft haben soll, müssen wir einen ordentlichen Akzent setzen." Und er betont abschließend: "Der Kopf ist die Familie." So wird nun das Haus beim Kirchriegel ein neues Gesicht bekommen, werden sich die allgemeinen Veränderungen des Lebens einmal mehr an einem Stück der Außenhaut Gleisdorfs zeigen.



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