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Kult, Spiel, Vorgeschichten
Von Martin Krusche

In der Geschichtsschreibung scheint heute weitgehend Einigkeit zu herrschen, daß die Geschichte des Spielzeugs mit Puppen beginnt. Grasbüschel, Holzstücke, Stoffreste, aus Ton geformte Figürchen ... Puppen sind vermutlich die frühen Hauptereignisse des Spielzeugwesens. Weiters haben Murmeln sehr hohen Rang, also Kugeln und Kügelchen aus verschiedenen Materialien.

Figur, Form, Volumen, Bewegung ... Vehikel. Die Vorgeschichten von Spielzeugautos sind – wie die Wurzeln von Weinstöcken – sehr, offenbar sehr tief in den Boden unserer Kultur verzweigt.

Ich stelle mir vor, daß Menschenkinder schon gespielt und Fundstücke als Spielsachen verwendet haben, längst bevor ihre Eltern begannen, Kultgegenstände anzufertigen. Es liegt eine auffallende Gemeinsamkeit im Spielen und im Ausüben eines Kultes. Beides dient nicht unmittelbar der Alltagsbewältigung, ist also nicht in einem „praktischen" Sinn „nützlich", sondern dient grundlegenderen Zwecken.

Mit beidem, mit dem Spielen und dem Ausüben eines Kultes, verfeinern Menschen ihre Fähigkeiten. So gesehen sind Spielen und Kult dem Alltag nützlich, erbringen soziale und kulturelle Qualitäten. Sie haben Funktionen der menschlichen Sinnstiftung. Sie sind gleichermaßen Quelle und Ziel sehr unterschiedlicher kreativer Potenziale.

Worauf ich hinaus möchte? Dies sind, ähnlich der Kunst, Bereiche, auf die gelegentlich mit der Frage „Wozu brauchen wir das?" reagiert wird. So eine Art zu Fragen ist meistens nicht auf Antworten aus, sondern will eher eine Feststellung sein. Derlei Zurufe kommen meistens, wenn sich jemand auf der Seite der Vernunft sieht und andere zu einer Ordnung rufen möchte, die eben bloß mit Nützlichkeit im Alltag gerechtfertigt wird.

Wenn ich mich hier lustvoll mit Spielzeugautos befasse, dann sind darin recht viele, ganz unterschiedliche Motive gebündelt. Ich mag mich in „unvernünftiger" Weise auf die Seite von Kindern schlagen, die niemals auf die problematische Idee kämen, ihre Zeit bloß mit rational begründbaren und dem Alltag nützlichen Vorhaben zu verbringen.

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Ich mag es aber auch, um eine Reihe von Möglichkeiten aus der Erwachsenenwelt zu ergänzen, die mir Spaß machen. Deshalb wird noch von mythischen Figuren zu erzählen sein, vom Schmied Hephaistos wie vom „Himmels-Raser" Phaeton. Oder von einer schönen österreichischen Briefmarke aus dem Jahre 1986. Sie zeigt den Kultwagen von Strettweg, der im steirischen Landesmuseum Joanneum aufbewahrt wird.

Diese beeindruckende Fahrzeugminiatur wurde nach dem Fundort benannt: Strettweg bei Judenburg (Steiermark). Sie stammt etwa aus dem siebten Jahrhundert vor Christus und besteht aus Bronze, ist also ein Artefakt der Bronzezeit. In dieser Ära wurden die Speichenräder erfunden, die anfangs eben ... aus Bronze waren, später für lange Zeit von Holzspeichen abgelöst wurden.

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Ein ähnlich schöner Fund, der "Sonnenwagen von Trundholm" (Dänemark), ist wesentlich älter. (Foto: The National Museum of Denmark) [video] Fahrzeuge spielen in unseren Mythologien vielfach wichtige Rollen. Barken, Fährschiffe, der Sonnenwagen des Helios, Menschen sahen sich schon früh als Passagiere.

Ich möchte hier freilich nicht solche Kultwagen als Vorreiter von Spielzeugautos deuten. Aber ich male mir aus, das seien historische Artefakte, Gegenstände unterschiedlicher Prozesse in der menschlichen Kultur, die hinter einem gemeinsamen Kreuzungspunkt, an dem sich einst die Wege gabelten, beide die gleichen Quelle haben, beide sich aus einem gemeinsamen „Quellgebiet" schöpfen. Das macht, neben anderen guten Gründen, die Spielzeugwelt zu weit mehr als bloß „Kinderkram". Sie ist Teil einer "Welt des Ideellen".

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