Seite #323: Buch: Helmut Grössing (Hg.), Autos, Fahrer, Konstrukteure

Helmut Grössing (Hg.)
Autos, Fahrer, Konstrukteure (Automobilismus im Aufbruch)
Edition Erasmus, Wien

Das Automobil war zuerst einmal Statussymbol und Sportgerät. Bis nach dem Zweiten Weltkrieg die Volksmotorisierung einsetzten, wandelte sich unsere Welt wie unser Alltag unter dem Einfluß dieser Technologie.

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Anfangs waren die Straßen schlecht, die Kosten hoch, kein Service da draußen. Benzin ist als Putzbenzin in Fläschchen verfügbar gewesen. Wie also konnte sich das Automobil durchsetzen?

In dieser Wiener Publikation legte Helmut Grössing im Jahr 2000 eine Sammlung von Aufsätzen vor, die dem historischen Kraftfahrwesen in Österreich gewidmet ist. Das Erfreuliche an dem Buch ist die spezifische Behandlung Österreichs.

Das ist eine empfehlenswertrt Lesestoff für Neugierige, die verstehen möchten, wie dieser Luxusgegenstand zur Massenware werden konnte, um das Antlitz der Welt zu verändern. Die Sache kam in den 1890er Jahren sprunghaft voran. Die Raserei, der sich viele Menschen auf den Straßen widersetzte, vollzog sich mit einschüchternden 13, 18, 20, maximal 30 km/h.

Mehr schafften anfangs die Motörchen nicht, zumal schlechte Straßen etliches der Maschinenkraft schluckten. Offenbar dominierten in den ersten Jahren dieser Entwicklung Fahrzeuge von Carl Benz, auch wenn sehr bald und häufig Ludwig Lohnen zu nennen ist, schließlich auch Altmeister Johann Puch. (Der Grazer Benedict Albl taucht im Buch auch kurz auf.)

Besonders fein ist die Geschichte des Bregenzer Marinemalers Eugen von Zardetti, der 1893 einen Patent-Motorwagen mit bärenstarken eineinhalb PS gekauft hat. Der Wagen kam per Bahn nach Konstanz. Es war damals üblich, daß ein Mechaniker des Werkes den Kunden mit der Fahrmaschine vertraut machte. Was zeigte sich in diesem Fall? Carl Benz hatte dieser Aufgabe ausnahmsweise selbst übernommen.

Das Buch widmet einige Beiträge auch der Kontroverse um den Rang des zweiten Marcus-Wagens. Die Achsschenkellenkung wird behandelt, das Thema Auto kontra Eisenbahn beleuchtet etc.

Außerdem fand ich interessant zu erfahren, daß Ludwig Lohner und Johann Puch im Jahre 1911 zu Kuratoren für das Technische Museum für Industrie und Gewerbe in Wien berufen wurden und dabei den Auftrag hatten, bemerkenswerte Fahrzeuge anzukaufen.

Wer die Dimension der baulichen Konsequenzen des Automobilismus verstehen will, wird die Schilderungen über Pflasterarten und Zustände der Straßen im 19. Jahrhundert sehr anregend finden. Hierin liegt ja eine Schlüsselthema für die soziale Revolution durch eine völlig neue Art individueller Mobilität.

So ist Grössing ein Lesebuch voller bemerkenswerter Details gelungen, wie sie uns in gängiger Standardliteratur eher nicht geboten werden. Um eine Epoche zu begreifen, jenes radikale 20 Jahrhundert, ist diese Lektüre sehr zu empfehlen.

[Filme, Bücher etc.]


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