Nein, ich war nicht im Museum. Graz, Alltag im November 2011, ein
Parkplatz. Wenn wo mehrere Fahrräder beisammenstehen, schaue ich gerne, ob ein Oldtimer
darunter ist. Diesmal war es das vermutlich älteste Waffenrad, das ich seit langem in
freier Wildbahn gesehen hab. Etwas verbastelt, aber unverkennbar.
Die Inbusschraube am Bremsgestänge ist abenteuerlich, ist ebenso zu jung
wie die Pedale. Egal! Dieser Fund illustriert die verblüffende Popularität von
Waffenrädern, deren Geschichte nun schon weit über hundert Jahre zurückreicht.
Der große Waffenkonzern, von Josef Werndl in der Stadt Steyr gegründete,
hieß ab Ende des 19. Jahrhunderts Österreichischen
Waffenfabriks-Gesellschaft. Dort konnte man 1894 bestehenden Kapazitäten nicht
mehr auslasten. Deshalb sah sich die Firmenleitung nach Produkten um, die sich auf zivilem
Sektor vermarkten ließen.
Das lief auf eine Fertigungslizenz des Swift-Fahrrades
der Coventry Machinists Co. hinaus. Dieses Lizenzprodukt ist in
Österreich bis heute als Waffenrad allgemein geläufig. Unter dieser
Bezeichnung wurde es später auch von Puch erzeugt. Das Waffenrad hat nichts mit
Waffensystemen zu tun, sondern eben mit seinem Ursprung, der Österreichischen
Waffenfabriks-Gesellschaft als Produzentin.
Dieses Inserat, am 23. Dezember 1920 in der "Allgemeinen
Sportzeitung" erschienen, stellt den Gesamtzusammenhang dar. Nach dem Ersten
Weltkrieg war die Company nämlich wieder unterbeschäftigt, weshalb man auch in die
Automobilproduktion einstieg. Es sollte, gleich dem "Waffenrad", auch
ein "Waffenauto" aus Steyr geben.
Auf diese Bezeichnung wurde allerdings nach der Misere des "Großen
Krieges" verzichtet. So entstand die Automobilmarke "Steyr" mit
dem Fadenkreuz als Markenzeichen. (Siehe dazu die eigenen Listen "Steyr" und "Steyr-Fiat"!)
Den Hinweis auf die Auslandsvertretungen "in allen Kulturstaaten der
Welt" finde ich besonders skurril. Das Inserat birgt noch ein interessantes Detail,
nämlich die Nennung der Gußstahlwerke im steirischen Judenburg. (Herrenrad)
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