Mythos Puch: Der Puchmarsch als Werbejingle
Staunenswerte GebrauchslyrikWas
versteht man unter einem "Jingle"? Das "Klimpern" meint eine
kurze, möglichst einprägsame Kennmelodie. Als Werbejingle soll so eine Miniatur
uns bestimmte Produkte in den Sinn rufen.
Das ist ein Phänomen der Radiowelten und hat sich später
auch im TV bewährt. Derlei Werbegesänge wirken inzwischen großteils etwas antiquiert,
haben auf jeden Fall die Lieblichkeit der Jingles aus meinen Kindertagen völlig verloren.
Es gibt aber eine ganze Reihe an Produkten, etwa
Softdrinks, aber auch Möbel etc., die fest mit kleinen Gesangsübungen verzahnt sind und
auf die Art sofort assoziiert werden können, wenn das Stückchen erklingt.
Man mag sich meine Überraschung vorstellen, als ich die
komplette Ausgabe der Notenblätter zum "Puch-Marsch" von
Militärkapellmeister Eduard Wagnes in die Hände bekam und den dazugehörigen Liedtext
durchsah.
Wagnes hat die Blätter seiner Komposition mit "Graz
am 28. Mai 1900" datiert. Sie waren also lange vor der Zeit geschrieben worden,
da Radio zum allgemeinen Standard wurde, vom österreishischen Fernsehn ganz zu schweigen.
Den Text zu diesem Marsch verfaßte ein Joseph Huber. Was
er geliefert hat, würde ich als einen Vorboten der uns vertrauten Werbe-Jingles deuten.
"Es radelt heut schon Jedermann, ob krumm er oder grad, s'ist einerliei, er fliegt
dahin, stolz auf dem flinken Rad..."
So beginnt das optimistisch gefaßte Lied über ein
Fahrzeug, das um 1900 natürlich noch keineswegs für jedermann erschwinglich war. Aber
nicht irgendein flinkes Rad wird hier besungen. "Heil dir, mein wak'res Stahlross
dir" holpert es ein wenig dahin, um zu präzisieren: "Heil dir, mein
Rad von Puch".
Mit der zweiten und dritten Strophe haben wir dann
eigentlich pure Public Relations. Die Klaviernoten selbst sind nicht datiert.
Aber der Marsch ist in einem Verzeichnis von gelistet 1904 ("Universal-Handbuch
der Musikliteratur aller Zeiten und Völker").
Um 1906 erwähnt Hofmeisters Handbuch der
Musikliteratur ihn ebenfalls, ergänzt um den Vermerk "f. Pfte.
Graz", also für das Pianoforte. Nun ist das Zeitfenster 1904 bis 1906
der Abschnitt, in dem bei Puch gerade die Voiturette, das erste (Klein-)
Serienautomobil der Marke, entwickelt und herausgebracht wurde.
Puch Voiturette von 1906
Wir sehen, daß es ein für die Gesellchaft recht neues
Produkt gibt, das Automobil in Kleinserien, und der Markt dafür erst bereitet werden
muß, die Menschen mit der Novität vertraut gemacht weren sollen.
Prompt taucht dieses Produkt in einem Musikstück auf, das
für Pianoforte tarnsponiert und mit einem werbenden Text versehen wurde, um in
der guten Stube bürgerlicher Haushalte zu erklingen.
Beim Platzkonzert der Militärmusik wird dieser Text
vermutlich nicht gesunden worden sein. Zum besseren Verständnis: Kapellmeister Eduard
Wagnes leitete die Militärmusik des Bosnisch-hercegovinischen Infanterieregiments No.
2 in Graz.
+) Weitere Details zum Marsch: [link]
+) Die Wiederaufführung in Gleisdorf: [link]
-- [20.
September 2014] --
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