Mythos Puch: Friedrich Spekner
Design fällt nicht vom HimmelEgal,
ob Fahrrad, Moped oder Auto, jede Komponente eines solchen Massenprodukts sieht nicht von
selbst so aus, wie es aussieht. Irgendjemand muß entschieden haben, welche Form das Teil
erhält.
Design soll nicht nur die Wahrnehmung erfreuen
(Ästhtetik), es muß bei Fahrzeugen auch technisch machbar sein und überdies andere
Funktionen als bloß ästhetische erfüllen. Kurz, die Komponenten müssen funktionieren.
Das ganze Gerät natürlich auch.
Dazu kommt, daß der Handel stets mitredet, denn wer
draußen den Käuferinnen und Käufern unmittelbar gegenübersteht, entwickelt sehr
deutliche Vorstellungen, was beim Publikum ankommt und was nicht.
Ich hole so weit aus, um einen Mann vorzustellen, welcher
bei den Produkten der Steyr-Daimler-Puch AG als Gestalter maßgeblich war;
später auch noch bei Magna Steyr. Die enorme Popularität von Fahrrädern und
Mopeds aus dem Hause Puch läßt deren Fahrzeuge auch heute noch alltäglich um
uns sein, obwohl sie schon lange nicht mehr produziert werden. (Das aktuelle Marktangebot
an Fahrrädern mit dem Logo von Puch wird kein altgedienter "Puchianer" für
beachtenswert halten.)
Da Friedrich Spekner etliche der Fahrzeuge entworfen, viele
verfeinert und so gut wie alle vom Dekor her bestimmt hat, sind wir fast alle mit seiner
Arbeit schon in Berührung gekommen.
Ich konnte ihn nun gemeinsam mit dem Publizisten und
Fahrradexperten Wolfgang Wehap zu seiner Arbeit befragen. Spekner ist ein klassischer
"Puchianer". Er hat 1951 seine Lehre begonnen, von da etliche Abteilungen der
Firma durchlaufen und sich schließlich als Designer profiliert.
Friedrich Spekner (rechts)
im Gespräch mit Wolfgang Wehap
Spekner war zuerst im Werkzeugbau tätig, also Handwerker.
Sein gestalterisches Talent und seine Freude am Zeichnen war damals noch
Privatangelegenheit. Über Fernkurse holte er sich Anregungen für das Graphische und
buchte Angebote wie "Pressezeichnung".
Das führte ihn von der Werkbank weg. Bis Mitte der
1970er-Jahre war Spekner in der "Katalogabteilung" des Konzerns tätig. Die
Konstruktions- und Explosionszeichnungen von seinem Tisch kursieren bis heute.
Mit dem Auftrag zur Puch Monza wurde im Haus
deutlich, wie problematisch es ist, wenn verschiedene Personen am Teil eines Fahrzeuges
zeichnen. Tank, Ansaugkasten, Sitzbank, Kotbleche aus jeweils verschiedenen Händen...
Spekner erinnert sich, daß die ersten Monza-Entwürfe
dem damals neuen Werksdirektor Zeichen überhaupt nicht gefallen hätten. "Da wurde
eine Designabteilung eingerichtet."
Am Beginn der Designabteilung (ent-)
stand die Puch Monza
Das ganze Fahrzeug-Layout der Monza macht
deutlich, daß man in Graz gerüstet war, sich der Viertakt-Konkurrenz durch die schlanken
SS 50 von Honda und Yamaha zu stellen. Spekner arbeitete auch
noch an Motorrad-Entwürfen, von denen das eine oder andere Standmodell erhalten ist. Doch
dieser Zweig endete früher als alle anderen.
Spekner-Entwürfe zum Pinzgauer und Puch G kann man ebenso
entdecken, wie etwa den Entwurf einer Armbanduhr. Das Dekor der Mopeds war ein großes
Thema, das weit größere die Fahrräder aus Graz.
Dabei unterscheidet Spekner im sportlichen Segment zwischen
Freizeitfahrzeugen, die er "Pseudorennräder" nennt, und hochkarätigen Rädern.
Die Mistral-Reihe ist besonders exponiert. Darunter wiederum das Mistral
Ultima, Spekners Favorit. Wer davon noch eines besitzt, womöglich mit schwarzem
Hinterbau, darf sich um diese Rarität selbst beneiden.
Spekner erläutert Details
des Mistral Ultima [GROSSE ANSICHT]
Spekner war im Zentrum des Geschehens, als neue Werkstoffe
erschlossen wurden. Das meint nicht nur Rennfahrer-Trikots, die plötzlich bedruckt werden
konnten und nicht mehr aus verschiedenenfarbigen Stoff-Elementen zusammengenäht werden
mußten. Das meint auch erste Fahrräder aus Carbon oder aus Aluminium.
Mit Werkstoffen wie Carbon war man damals weltweit noch
nicht in der Lage, ausreichend stabile Fahrzeuge zu bauen. Auch Aluminium gab noch so
manches Problem auf.
Spekner war dabei, als dem Management in Wien das
Zweiradgeschäft immer mehr zu teuer wurde. Es gibt ja kaum ein Thema in der
Werksgeschichte, das bis heute so sehr mit Verschwörungstheorien behaftet ist, wie der
1987 bewerkstelligte Verkauf des Zweirad-Sektors nach Italien.
"Wir hatten erste Mountainbikes",
erzähl Spekner, auch ein reich ausgestattetes "Holland-Rad" (City-Bike)
etc. Aber es fehlte (nachdem ein Panzer-Deal geplatzt war) einige Zeit der nötige Profit
aus dem Waffengeschäft, um den Zweiradbereich in seinem damaligen Tief zu stützen.
Spekner im Johann Puch
Museum Graz unter zwei Prototypen,
an denen er mitgewirkt hat: Die Zeitmaschine aus Alu (links)
und das Carbon-Rad
Die Massenproduktion in großen Mischkonzernen ist ein
Kräftespiel, dessen Ausmaße sich Laien nur selten bewußt machen. Kaum noch werden wir
von da her mit Gütern versorgt, deren Ruf so bleibend ist wie jener der Marke Puch.
Dazu kommt, daß Könner wie Spekner noch einen Typ der
Fachkraft verkörpern, die man so in modernen Konzernstrukturen kaum noch finden wird.
Damit repräsentiert Spekner nicht bloß ein Stück Konzerngeschichte der Steyr-Daimler-Puch
AG, sondern auch ein Stück Sozialgeschichte des 20. Jahrhunderts.
[PERSÖNLICHKEITEN]
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