Wer als Bürgerin oder Bürger dieses Landes ein angemessenes
Selbstbewußtsein hat, wird die düsteren Seiten der eigenen Geschichte ebenso zur
Kenntnis nehmen wie die strahlenden.
Das ist schon aus bloß sachlichen Gründen wichtig, denn wie sollte man komplexe
Vorgänge begreifen, wenn man nur einen Teil davon betrachtet?
Ich habe immer wieder Puch-Fans kennengelernt, die bezüglich der Nazi-Zeit
entweder spröde Vermeidungshaltungen zeigen oder gar ein peinliches Leugnen von
Tatsachen. Manchmal kann man auch aggressiven Rassisten begegnen, die bloß auf ein
Zeichen warten, welches sie als Billigung ihrer Ansichten deuten, und schon bricht es aus
ihnen heraus.
Ich habe keine Laune, jemanden belehren zu wollen, aber ich finde diese Haltungen
erbärmlich; all dieses Lavieren, das Schönreden, das Verniedlichen und das Verharmlosen.
Unwürdige Posen, die einem außerdem ein Verständnis dessen beschneiden, was Industrie
bedeutet.
Die Steyr-Daimler-Puch AG war ein so prominenter Mischkonzern Österreichs, da
erübrigt sich ja die Frage, ob dort für das Verbrechersystem der Nazi gearbeitet wurde.
Ist das Wasser naß? Ist der Papst katholisch? Selbstverständlich ist das so.
Das Zweier-Werk in Graz-Thondorf war ein Produkt dieser historischen
Verbindung von Industrie und Tyrannei. Dort gab es natürlich eine intensive
Rüstungsproduktion. Das gilt ebenso für Steyr und für viele kleinere Orte in
Österreich.
Daher ist auch unbestreitbar, daß im Konzern Arbeitssklaven eingesetzt wurden, daß
KZ-Insassen schuften mußten wie aus allen Teilen eroberter Gebiete Menschen zur
Zwangsarbeit hergeschafft wurden. Wie genießen noch heute Zins und Zinseszins dieser
Raubzüge.
Wenn Sie mit alten Puchianern reden, so sie als vertrauenswürdig gelten,
erfahren Sie anstandslos, wer im Grazer Zweier-Werk ein "schwerer
Nazi" gewesen ist. Das war in der Nachkriegszeit kein Geheimnis, davon wird
heute noch gesprochen.
Das wird nicht ausposaunt, auch nicht geleugnet, das wird eben manchmal im Gespräch
erwähnt. Manchmal kommt es freilich auf eine Art daher, die allen Regeln des Anstandes
spottet.
So ging es mir heuer im Winter mit einem Mechaniker von vorzüglicher Fachkenntnis,
nicht mehr ganz taufrisch, aber zu jung, um die Nazi-Zeit erlebt zu haben. Siehe dazu
meinen Logbuch-Eintrag vom 22. Jänner 2016: [link]
Wer Puch-Fan ist, braucht für diese Aspekte der Menschenverachtung ja kein
reges Interesse zusammenzukratzen, möge aber mit Respekt zur Kenntnis nehmen, daß es
diese Seiten des Konzerns gab und daß einige Menschen unter uns sich um ein
vollständiges Bild bemühen.
So bietet derzeit das
Museum Arbeitswelt Steyr die Ausstellung
"Zwangsarbeit im Nationalsozialismus" [link]
Diese Einrichtung hat ihrerseits schon eine Geschichte von mehreren Jahrzehnten: "Mit
der oberösterreichischen Landesausstellung Arbeit/Mensch/Maschine. Der Weg in die
Industriegesellschaft von 1987 wurde das erste österreichische Arbeitsweltmuseum
errichtet." (Quelle)
Anmerkung zum Foto:
Die Geschichte des Abendlandes ist davon geprägt, daß oftmals die Knechte nicht
träumen frei zu sein, sondern Herren zu sein. So wollte unter unseren Leuten dann der
kleine Spießer, wenn schon nicht Herr, so wenigstens Herrenmensch sein. Eine Pose, die
bis heute nicht aus der Mode gekommen ist.
[übersicht]