johann puch, seite #2 Ethnos (Janez wird Johann)
Es kommt vor, daß manche Puchianer" sich dazu hinreißen lassen, Johann
Puch für Österreich zu reklamieren und im gleichen Atemzug slowenische Optionen zu
kritisieren. Umgekehrt kann man Statements wie dieses finden: Er war kein
österreichischer Erfinder von slowenischer Nationalität, er war komplett Slowene."
Was genau wäre das denn, ein komplett Slowene" des 19. Jahrhunderts? Das
sind nationalistische Töne per Rückübertragung, denn es werden da Begriffe angewandt,
die zu Puchs Lebzeiten ganz andere Bedeutungen hatten als heute. In der Grazer Murvorstadt
verdienten sich über Jahrhunderte viele Leute, deren Muttersprache nicht Deutsch war, ihr
Brot. Das habsburgische Österreich war ein multiethnisches Imperium. Muttersprache und
Ethnos konnten sich also am gleichen Lebensort bei Menschen gleicher Staatsbürgerschaft
erheblich unterscheiden.
Selbst später, im Jugoslawien unter Tito, pflegte man die Unterscheidung zwischen
narod" (Völker) und narodnosti" (Nationalitäten) als ethnische
Kategorien, während die Staatszugehörigkeit, in jenem Fall jugoslawisch",
eine andere, nämliche eine rechtliche Kategorie, gewesen ist.
Puch wurde 1862 geboren. Zu der Zeit waren ethnische Diskurse mit
antislawischen Ressentiments noch die Ausnahme und der Kaiser wandte sich stets An
meine Völker". (Die böhmische Badeni-Krise", ein politisch
brisanter Sprachenstreit", um ein Beispiel zu nennen, ereignete sich erst Ende
der 1890er-Jahre.)
Als Kaiser Franz
Joseph I. zehn Tage nach dem Tod von Johann Puch den "Großen Krieg" erklärte,
betrachtete er alle Ethnien seines Reiches als seine Untertanen, als Österreicherinnen
und Österreicher
Der Keuschlerbub Janez Puh aus Sakuak in der Untersteiermark war ohne Zweifel
ethnisch ein Slowene, außerdem österreichischer Staatsbürger. Das agrarische
Proletariat sowie die Keuschler und Kleinhäusler der Untersteiermark waren zu der Zeit
überwiegend slowenisch, die bürgerlichen Eliten in Städten wie Maribor, Celje und Ptuj
überwiegend deutsch. Doch alleine schon die Familiennamen hätten bei flüchtigem
Hinsehen oft zu falschen Zuschreibungen geführt, denn wer Slowene war, konnte einen sehr
deutsch klingenden Namen haben und manch Deutscher" hatte einen eindeutig
slawischen Familiennamen.
Als im letzten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts die ethnischen Debatten an Dimension und
Schärfe zunahmen, als Deutsche Schutzarbeit" selbst von renommierten Personen
wie dem Autor Peter Rosegger in Angriff genommen wurde, bezeichnete man die slowenische
Ethnie von deutscher" Seite als Die Windischen" und es gab aus
ideologischen Gründen allerhand Bestrebungen, die südslawischen Mitmenschen dieser
Region nicht den Slowenen zuzurechnen. In der deutschen Unterhaltungsliteratur dieser Zeit
wurden die Windischen" konsequent abgewertet und die Deutschen" als
Kulturbringer" überhöht. Eine der häßlichen Seiten jener Ära, von der sich
beide Teile bis heute nicht verläßlich erholt haben.
Aber zurück zu Janez Puh/Johann Puch. Es gibt bis heute in der Steiermark autochthone
Slowenen, die hauptsächlich in fünf Dörfern rund um Radkersburg angesiedelt waren. Eine
Bäuerin, Josepha Prelog, hat mir erzählt, daß sie vor ihrer Zeit in der Volksschule
kein Wort Deutsch gesprochen habe. Es wird also mit Puh/Puch ursprünglich nicht anders
gewesen sein, daß er nämlich kulturell slawisch/slowenisch geprägt war.
Wer aber heute Ethnos und Staatszugehörigkeit als Kollision deutet, redet von
Ideologie, nicht von alltäglicher Lebensrealität der Menschen jener Tage. Diese
Ideologie, ein Produkt des 19. Jahrhunderts, haben wir in Auschwitz und in Srebrenica
überprüft. Sie sollte sich eigentlich erledigt haben.
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