martin krusches [flame]: norbert gall / fette beute
Moskvich 408/428
Hallo Martin,
in meiner Familie gibt es eine amüsante Anekdote, die sich etwa so zutrug: Eine Tante,
damals in den 1970ern wohnhaft in Karl-Marx-Stadt (DDR) entgegnete meinem Herrn Vater in
einer hitzigen Diskussion bezüglich Vor- und Nachteile der Planwirtschaft versus der
freien Marktwirtschaft: "Ich verstehe nicht, was Du hast!? Ein Moskvich ist doch
auch ein gutes Auto".
Hämisches Gelächter seitens der aus dem Westen
angereisten zukünftigen Verwandtschaft. Leichte Verstimmung zwischen den
Familienblöcken. Heute lebt sie in Österreich, die Dinge relativieren sich. Sie kann nun
selbst darüber schmunzeln. Ihr Mann fährt Benz.
Das zum Moskvich. Dass es so ein Modell älteren Baujahres
überhaupt schafft, zu überleben, ist schon beachtlich. Aber nicht etwa in einer
abgelegenen sibirischen Kleinstadt, sondern mitten in Wien. 5 Bezirk, Margareten.
Die Geschichte zu ebendiesem Auto wiederum ist ebenfalls
bemerkenswert. Seit vielen Jahren schon ist mir genau dieser Moskvich am Arbeitsweg immer
wieder einmal begegnet. Flüchtig eben nur. Querender Verkehr, Gegenverkehr, andere
Fahrspur, wo auch immer.
Bestimmt an die 20 Mal hat mich der blaue Moskvich wie ein
Phantom gestreift, um im nächsten Moment wieder im Gewühl unterzutauchen. Im
morgendlichen Berufsverkehr des Margaretengürtels braucht man aber nicht damit zu
spekulieren, hier einen Schnappschuss zu ergattern. Das würde fatal enden. So blieb es
bei der schwindenden Hoffnung, irgendwann einmal den Alten aufzuspüren, bevor er in der
Schrottpresse landet.
Bis ich letzte Woche aufgrund einer nicht enden wollenden
Schlange vor einer roten Ampel aus der Prozession ausscherte und einen Schleicher durch
die Seitengassen des angrenzenden 12. Hiebs wagte. Und da stand er, endlich einmal in
aller Stille, wie auf dem Silbertablett serviert. Die Kombiversion des 1964-1975 gebauten
408 hieß 428. Diese Autos wurden in geringen Stückzahlen exportiert, etwa nach Belgien,
Niederlande oder UK. Auch Österreich war darunter. In einem Artikel auf info4you.co.at
steht, wie es dazu kam:
"In Österreich fungierte die Österreichische
Automobil-Fabriks-AG (ÖAF) von der Nachkriegszeit bis in die späten 70er-Jahre neben dem
Lada-Import als Moskwitsch-/AZLK-Importeur. Der Importeursstatus hatte sich nicht zuletzt
dadurch ergeben, dass die ÖAF in Floridsdorf in der sowjetisch besetzten Zone lag und als
einer der USIA-Betriebe (unter russischer Verwaltung) nicht nur in die Sowjetunion
komplette Fahrzeuge exportierte, sondern als Gegenlieferung unter anderem Autos der Marke
Moskwitsch retour geliefert bekam."
Vielleicht muss meine Familie ihr Urteil sehr spät aber
doch revidieren. Ein Auto, das dem Alltag des Wiener Verkehrs so viele Jahre lang
standhält, muss wahrlich von robuster Natur sein.
Einen schönen Gruß!
Norbert
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