martin krusches [flame] logbuch / blatt #93


Ulreich & Wehap

Puch-Räder. Wie oft bin ich gefragt worden. Wie oft hatte ich selber Fragen. Wie viele Details konnte ich beim zähen Umschiffen von Wissenslücken nicht zu- oder einordnen, wenn ich meinen Fotobestand durchging, um mir halbwegs einen Überblick zu verschaffen.

Schließlich schien mir nach einigen Gesprächen mit Sammlern von frühen Fahrzeugen, daß sich die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts etwa über alte Kataloge und Prospekte, auch einige Fachbücher aus der Zeit ganz gut aufklären läßt. Doch wer etwa Walter Ulreichs Buch über das Waffenrad kennt, hat einen Eindruck, daß selbst solide Archive Lücken offen lassen.

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Wolfgang Wehap (links) und Walter Ulreich (Foto: Archiv Wehap)

Es ist eben nicht alles dokumentiert; selbst bei außergewöhnlich großen Betrieben wie Steyr. Fahrräder waren teure Güter, in der ersten Jahren der Niederräder hauptsächlich an geldige Kundschaft adressiert. Das aufkommende Vereinswesen sorgte dann ach für so manche Evidenz.

In der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg haben Publikum und adäquate Werbung enorm an Breite gewonnen. Da wurde es spätestens ab der Produktionsverlagerung der Grazer Fahrräder nach Italien für jemanden wie mich völlig unüberschaubar. Außerdem ist diese Ära des Verkaufs der Zweiradproduktion in den Süden von allerhand Verschwörungstheorien umgeben. Das perforiert die Informationslage und streut Legenden ein.

Wer will sich schon mit so banalen Fakten abgeben, daß in einem großen Mischkonzern stets Bewegung herrscht, bereich aufgekauft und andere abgestoßen werden? Und wie unromantisch, daß ein geplatzter Waffen-Deal die Profite der Company ausbleiben ließ, die man grade gebraucht hätte, um den grundelnden Zweirad-Sektor zu stützen.

Egal. So lange Fahrräder in Graz produziert wurden, sind uns Prospekte, Inserate, Konzernnachrichten, vor allem aber die Zeitzeugenschaft der Leute hilfreich, die das gemacht haben, was uns interessiert und beschäftigt: Puch-Räder.

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Wolfgang Wehap (links) und Puch-Designer Friedrich Spekner

Gut, auch da war vieles bisher nicht verschriftlicht, dokumentiert, aber man kann die Leute eben noch befragen. Doch die Grazer Produkte wurden zahlreich variiert und für Exportgeschäfte teilweise den geschmacklichen Vorlieben und Marktbesonderheiten in anderen Ländern angeglichen.

Trends, Moden, temporäre Publikumsneigungen trugen auch viel zu einer flirrenden Vielfalt in den Angeboten bei. Die „italienische Ära" der Puch-Räder handelt überdies von einer sozial völlig anderen Zeit. Es war gelegentlich viel an billiger Massenware gefragt und absetzbar. Das Fahrrad als Wertgegenstand wurde zu einem Nischenphänomen.

Aber ich schweife erneut ab, denn was mich als immerhin sehr interessierte Person völlig überfordern würde, hat zwei Routiniers auf diesem Feld zum Glück nicht abgeschreckt. Walter Ulreich und Wolfgang Wehap stellten sich dieser einschüchternen Aufgabe, ein Buch über die Geschichte der Puch-Fahrräder zu verfassen und zu illustrieren.

Sie sind mit Theorie und Praxis, mit Vergangenheit und Gegenwart dieser Materie gut vertraut. Sie haben publizistische Erfahrung und offenbar auch die Ausdauer, die nötig war, nun ist das Buch verfügbar.

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So freut es mich, daß ich Wehap ein Foto abschwatzen konnte, das die beiden Autoren bei der Arbeit zeigt, denn sie sind offenbar den alten Meistern der Industriearbeit ähnlich, mit denen ich seit Jahren zu tun habe. Sie richten ihr Interesse vor allem auf ihre Arbeit und bewegen sich recht wenig am Licht der Öffentlichkeit.

Das kenne ich von etlichen Nachfahren des mythischen Schmiedes Hephaistos. Der hing am liebsten in seiner Werkstatt herum, mit seinen selbstgewählten Aufgaben beschäftigt, und mied den Rummel.

+) Das Buch: Die Geschichte der PUCH-Fahrräder [link]
+) Die Bildpostkarten [link]

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