martin krusches [flame] logbuch / blatt #74


Chopper und Custom Bikes
Durch Umbauten zum individuellen Auftritt

Was sehen Sie auf dem Einser-Cover dieser kleinen Themenleiste? Junge Menschen, die ihre ersten motorisierten Ausfahrten auf Fantic, Aprilia oder Kymco absolviert haben, wird fremd sein, was Burschen meiner Generation als ganz typisch erkennen.

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Da ist ein "Fuchzgerl", also ein Moped (50 ccm), auf Chopper umgebaut worden. Der knubbelige Tank, mit einem Lederriemen festgezurrt, sagt unmißverständlich: Puch MC 50. Dieses Exemplar zeigt etliche der Stilelemente, die eine "Easy Rider-Maschin" ausgemacht haben, also jene Harley Davidson, die Peter Fonda im Film "Easy Rider" (1969) [link] fuhr; ein Motorrad mit dem Namen "Captain America".

Der Tank mit den Stars and Stripes bemalt, die nach oben gesetzte Lampe und der Hochlenker simulieren eine lange Gabel. Der Auspuff ist schräg nach oben geführt, hinten gehört ein möglichst dicker "Hurf" (Huf = Reifen) in die Schwinge. Eine Lehne wäre gefragt, Sissy Bar sagte in den Siebzigern bei uns niemand, wie auch der Begriff Biker noch nicht üblich war. Maximaler Chrom-Zierrat rundete das Bild. Der MC-Motor gilt außerdem als sehr friesierfreudig. Leistungszuwachs war immer willkommen.

Wir hatten damals, in den 1970ern, auch die amerikanischen Sprachregelungen noch nicht parat. Eine Unterscheidung zwischen Bobber, Chopper, Cruiser und Custom Bike wäre uns fremd gewesen.

Ich hab in den späten 1970ern für die Grazer Neue Zeit (diese Tageszeitung ist längst verschwunden) einen Artikel über Chopper geschrieben, da war das bei uns kaum jemanden ein vertrauter Begriff.

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Damals konnten Enthusiasten wie ich prächtige Bausätze der Firma Revell zusammenfieseln, Chopper und Top Fuel-Dragster, an denen man schnell merkte wie tückisch der Kunststoffkleber auf die vielen Chromteile wirkte. Mein Fall war der im stattlichen maßstab von 1:8 gehaltene 70er-Jahre "L.A. Street Chopper" von Revell mit dem typischen Flame Job. Es gab auch abenteuerlich aussehende Trikes.

Modellbau-Kataloge sind eine Quelle der Kenntnisse über diese Subkultur gewesen. Eine andere Quelle war erheblich teurer. In der großen Zeitschriftenabteilung der Grazer Buchhandlung Kienreich, im Bahnhofsbuchhandel und schließlich auch in diversen Army-Shops konnte man amerikanische Farbmagazine über Chopper und Hot Rods kaufen. Davon waren seinerzeit keine deutschsprachigen Versionen verfügbar. Die Schilling-Preise der Importware trafen einen Lehrbuben wie mich schmerzlich.

Ich war aber auf diese teuren Quellen angewiesen, denn allerhand Kinofilme zum Thema taugten nicht viel. "Easy Rider" hatte eine Flut davon ausgelöst, die meisten ziemlich simpel gestrickte Schmonzetten, deren dürftige Plots ertragen werden mußten, während man sich nach Choppers die Augen aussah. Dabei war damals mein Film-Geschmack nicht gerade rasend cineastisch.

Selbst dar allgemein anerkannte Kult-Vorläufer, "The Wild One" [link] von 1953 mit Marlon Brando (Johnny), ist ein schmalztriefendes Werk, in dem Lee Marvin als Chino in Sachen Motorrad-Outlaw den wesentlich authentischeren Eindruck macht. Aber der Film bietet ein Festival der Bobber und man kann sich darin anschauen, was der Chopper-Mode vorangegangen ist.

In meinen Teenagertagen war das Gebot der Stunde, was längst davor den Stil der Bobber in Amerika ausgelöst hatte. Wir Proleten-Kinder verfügten über wenig Geld. Deshalb mußte unsere Motorisierung zuerst einmal auf dem Markt der Gebrauchtfahrzeuge realisiert werden. (Genau so ist es in den 1940ern Amerikas auch zur Bobber-Mode gekommen.)

Die alten Mopeds waren schwach motorisiert. Sie sahen alles andere als cool aus. Sie waren außerdem mit Komponenten befrachtet, die als spießiger Zierrat bewertet und runtergerissen wurden, soweit es damit die Funktionsfähigkeit des Mopeds nicht gefährdete oder auf Null setzte.

Allein das Abschneiden von Kotblechen brachte schon einen neuen Look. Konnte jemand den Motor frisieren? Fein! Umbauten und Anbauten, je nach Geschick und Geldbörse, halfen dabei a) die alte Grammel jünger, vielleicht auch schneller aussehen zu lassen und b) den Besitzer als Individualisten erscheinen darzustellen. (Wer wollte schon zu einer Herde blökender Schafe gezählt werden?)

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Dieses Foto sollte klar machen: Krusche auf der Stangl-Puch, das war einfach kein Renommee, auch wenn die Puch MS 50 ein billiges, sehr robustes und daher langlebiges Moped ist. Außerdem: Wo hätte man bei der "Schwarzen Einsitzer" gegebenenfalls ein Mädchen hingesetzt?

Aber selbst das "Postler-Moped", der "Maurer-Bock", mußte herhalten, um die starken Eindrücke des Filmes "Easy Rider" aufzunehmen und sich in einen Quasi-Chopper zu verwandeln.

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Dieses Foto stammt von Nikolaus Tschubi, der bis heute ein unerschütterlicher Puch-Fan ist. Seinen Bericht "Der steirische Easy-Rider" kann man hier auf Seite 17 der Puch Museums-Revue nachlesen: [link]

Diese amerikanische Subkultur hat also eine enorme Wirkung entfaltet. Man wird diese Wirkung rund um die Welt feststellen. Wo Mopeds und Motorräder gefahren werden, gibt es auch Chopper.

Die Industrie hat diesen Trend schon in den späten 1970ern und frühen 1980ern aufgegriffen. Chopper und Cruiser vom Band gibt es in allen erdenklichen Preislagen, Mopeds und sogar Mofas werden stilistisch drauf hingebrezelt. Man muß selbst kein Schrauber sein, um sowas zu bekommen.

[Chopper]
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