martin krusches [flame] logbuch / blatt #69Fahrrad: Ein Auftakt Die Geschichte des Automobils wurzelt technisch und sozial im Fahrradbau. Nach vereinzelten Vorboten des Themas in diesem Online-Projekt wird es Zeit, die Angelegenheit hier solide zu verankern. In Österreich haben wesentliche Produzenten Fahrräder gebaut, bevor sie Autos herstellten. Albl, Puch oder Steyr sind Beispiele dafür. Viel technisches Know how bezüglich der Materialverarbeitung oder physikalischer Anforderungen an Vehikel und so manche technische Lösung wie etwa die Kardanwelle und das Differential entstammen der Fahrradwelt. Wenn frühe Autos keine motorisierten Kutschen waren, sondern eigenständige Konstruktionen, dann zeigten die filigranen Voiturettes auffallende Merkmale der Fahrradproduktion. Das prominenteste Beispiel ist sicher der Patentwagen von Benz, dessen leichter Rahmen und markante Speichenräder im deutlichen Kontrast zu Daimlers Motorkutsche steht.
Nur bei der Miniatur sind die Räder
des Patentwagens (rechts) so grob Das erste taugliche Motorfahrzeug aus dem Hause Puch ist ein Vorläufer des modernen Motorrads, aus dem Fahrradbau abgeleitet. Den Motor bezog Puch aus Frankreich. Die leichten Kraftwerke von De Dion-Bouton wurden europaweit verbaut.
Puch Motordreirad a la De Dion-Bouton Das Motordreirad ist ja selbst eine Konstruktion von De Dion-Bouton und wurde genau so quer über den Kontinent nachgebaut. Das war nun technologisch ein gewaltiger Sprung vom Tretkurbelrad a la Michaux zu den Motorrädern am Beginn 20. Jahrhunderts. Die Legende besagt, daß Pierre Michaux 1861 ein Laufrad zu reparieren hatte. Die "Draisine" kam noch ohne mechanisch gestützte Kraftgewinnung aus. Es wurde im Sitzen gelaufen.
Tretkurbel-Rad nach Art Michaux (Sammlung Max Reder) Bei der Pariser Weltausstellung von 1867 gilt die Präsentation des Tretkurbelrades von Michaux als gesichert. Karl Freiherr von Drais hatte sein Laufrad (ohne Tretkurbel) im Jahr 1817 zum Patent angemeldet. Hundert Jahre später liefen auf unseren Straßen exquisite Motorräder aller Art. Ab etwa 1870 lösten Hochräder die "Boneshaker" der Ära Michaux ab. War damit das Knochenschütteln gemildert, so stieg die Sturzgefahr brisant an. Das Hochrad ("Penny Farthing") war jenes Produkt, mit dem die Stadt Coventry (England) groß wurde. Die teure und gefährliche Fahrmaschine wurde weiterentwickelt. Mir der Idee, die Tretkurbel vom Vorderrad in den Rahmen zu verlagern und die Muskelkraft per Kette auf das Hinterrad zu übertragen, konnten die Räder niederer und stabiler werden.
Hochrad und Niederrad ("Safety") im direkten Vergleich Zur Kraftübertragung wurden übrigens auch Kardanwellen genutzt und schon um 1880 war der Riemenantrieb für Fahrräder bekannt. Das sind weitere Beispiele für technische Details, die später in Automobilen wieder auftauchten. Es ist also mehr als angebracht, in der Darstellung des Automobilismus und der Geschichte individueller Mobilität das Fahrrad ausführlich zu behandeln. Coventry muß hier noch einmal betont werden. Steyr war Lizenznehmer der dort entwickelten Swift-Räder. Das nach diesem Vorbild gebaute Fahrrad wurde Österreichs Waffenrad, wie es in adaptierter Form bei Puch bis in die 1980er-Jahre hergestellt wurde.
Klassisches Waffenrad mit nobler Vollscheibe (Sammlung Max Reder) Übrigens kein Kriegsfahrzeug, sondern ein Friedensprodukt, mit dem die große Waffenschmiede damal ihre bestehenden Anlagen auslasten wollte. Von Altmeister Johann Puch heißt es, er sei bei seinem Militärdienst in Graz mit der Wartung von Hochrädern der Offiziere befaßt gewesen. Das habe ihn gegen diesen Fahrzeugtyp eingenommen. Zu teuer und zu gefährlich. Die Niederräder aus seiner eigenen Fabrik hatten einen ebenso vorzüglichen Ruf wie die Motorräder und Automobile die er baute. Aber erst nach dem Zweiten Weltkrieg wurden Motorräder preiswert und Automobile breiteren Kreisen erschwinglich. Fahrräder und Mopeds entfalteten sich zur Massenbasis individueller Mobilität. +) Zum Thema Moped siehe: [link] [Das
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