martin krusches [flame] logbuch / blatt #63


Spurtreue (Wie es zu den Mopeds kam)

In der „Langen Nacht der Museen" von 2013 habe ich im Gleisdorfer „Museum im Rathaus" einen Vortrag gehalten, den ich „Spurtreue" nannte und der „Erfindung des Mopeds" widmete. Das war ein wenig lyrisch formuliert, denn das Moped wurde ja eigentlich nicht erfunden, sondern aus einer langen Entwicklung auf dem Zweiradsektor herausgebildet.

Als 1956 Geborener war ich zwar nicht von allem Anfang an, aber schon sehr früh dabei. Was wir „Moped" nannten, war eindeutig ein Marketing-Produkt. Das heißt, es wurden Zeichen der Zeit mit einem technischen Entwicklungsstand in Deckung gebracht, um dann mit kräftigen PR-Maßnahmen darüberzugehen und sehr gezielt den Markt zu bearbeiten.

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Puch MV 50 im Alltagseinsatz

Der Abend im „Museum im Rathaus" hat mir Spaß gemacht, weil bei diesem Thema sehr viele Menschen mit biografischen Details anzudocken wissen. In der Reflexion wurde mir klar, wie radikal diese Erfahrungen waren. Ein Moped zu besitzen, das man ja mit 16 Jahren fahren durfte, wozu keinerlei Nachweis von Qualifikationen nötig war, ist von sozialer Wucht gewesen.

Meine Erinnerung besagt, daß wir die Gesten und Attitüden schon gepflegt haben, da besaßen wir noch nicht einmal Fahrräder. Die ersten Medien, um uns in der Gefolgschaft von Ikarus zu üben, waren unsere Tretroller. Mit denen ließ sich auf glattem Asphalt gesundheitsgefährdendes Tempo schaffen; noch dazu, wenn die Piste leicht abschüssig war, wie es der Grazer Münzgrabengürtel heute noch ist.

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Museumsnacht 2013

Meine Vorstellung unserer Anfälligkeit für ikarische Befindlichkeiten hat also ihre Wurzel in Erfahrungen an meine Kindertage. Wenn ich die Geschichte des Mopeds mit subjektiver Färbung erzähle, dann muß das mit dem Rollerfahren beginnen, was in der Generation heute Sechzehn- bis Zwanzigjähriger „Scootern" genannt wird.

Der Ikarus in uns liebte Spielchen. Wir hatten als Kinder die schrullige Idee entwickelt, mit unseren Tretrollern Anlauf zu nehmen und auf die Klostermauer zuzufahren. Es ging darum, möglichst spät vom Roller abzuspringen und unbeschadet zu bleiben, während das Fahrzeuglein gegen die Mauer schepperte.

Das konnte einem auf dem Asphalt wunde Knie einbringen und führte außerdem dazu, daß sich im Bereich des Roller-Lenkkopfes eine Schweißnaht löste, was den „Luftroller" fahruntauglich machte. Damit meldete man sich unweigerlich zu einer Tracht elterlicher Prügel an.

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Die erwähnte Klostermauer, heute wie damals

Die Maßeinheit „Tracht Prügel" ist mir heute nicht mehr geläufig, war aber in den ersten 1960er-Jahren noch im Alltagsgebrauch. Wir hatten bei dieser Art von Fahrspaß also doppeltes Risiko geschluckt, Sturzgefahr und die mächtige Hand des Vaters.

Die Bezeichnung „Luftroller" war von Bedeutung, weil ein Roller mit komfortabler Luftbereifung damals noch keineswegs Standard war, sondern erst nach nennenswertem Geldaufwand ein Klappergestell mit Vollgummi-Reifen ablösen konnte. Deshalb verstanden Väter keinen Spaß bei mutwillig herbeigeführten Schäden.

Der Stehsatz „Du paßt auf deine Sachen nicht auf" wirkte sich, so sehe ich es heute, als Impuls zum demonstrativen Niederreiten der Dinge aus. Aber es machte eben auch Spaß, wenn wir es krachen lassen mochten.

Damals konnte ich noch nicht wissen, daß wir mit „Roller gegen Klostermauer" quasi eine Kindervariation des „Chicken Run" gespielt haben, den Regisseur Nicholas Ray in „Rebel Without A Cause" [link] zeigte. James Dean als Jim Stark. Er und sein Kumpel fahren mit zwei Autos auf eine Klippe zu. Wer als erster aussteigt, hat verloren. (Wer als letzter aussteigt, eben auch, falls die Bremsstrecke nimmer reicht.)

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"Luftroller", 1955 (Foto: Heinz Funck, Creative Commons)

Damit möchte ich deutlich machen, daß wir diese Verrücktheiten offenbar in uns haben, ob naturgegeben oder kulturell bedingt, keine Ahnung. Und das Moped war die erste motorisierte Möglichkeit für uns, um Ikarus zu folgen.

+) Auftakt: Krusche auf der Lohner Sissy [link]
+) "Spurtreue" 2013: [link]
+) Wird fortgesetzt!

[moped: start] [die gefolgschaft des ikarus]
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