martin krusches [flame] logbuch / blatt #54


Streetfighter
Die symbolische Präsenz ziviler Krieger

Der Feiertag hat sich lautlos an mich herangeschlichen. Genau darin fiel er mir dann auch auf. Diese Stille, die sich nicht lösen wollte.

Als ich aus dem Küchenfenster sah, war mir klar, daß alle Läden dicht sein müssen. Es kommt nämlich so gut wie überhaupt nie vor, daß hier der vorgelagerte Parkplatz plus sein Umfeld völlig frei von Autos sind.

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Vormittags hatte ich bezüglich unserer „Fünfer-Nacht“ über die „Zivilen Krieger“ [link] geschrieben, denn ich wollte ein wenig herausarbeiten, wie sich das mit einigen Fragestellungen unseres Herbst-Symposions verbindet; über die Ästhetisierung und Inszenierung von Gewalt im Privatleben erigierter Kleinbürger.

Bei dem derzeit so miesen Wetter hatte ich es nicht eilig, aus dem Haus zu kommen. Aber als ich es tat, fand ich in der nahen Pizzeria eine kuriose Überraschung vor. Als wollte das Schicksal mir meine Ausführungen bestätigen und illustrieren, fand ich zu einem Auto-Thema die markige Headline „Straßenkämpfer“ vor.

Was ist ein „Streetfighter“? Ein Rebell. Ein Aufständischer. Freischärler. Auf jeden Fall nicht Teil regulärer Truppen, was schon sehr gute Gründe verlangen würde, um nicht an kriminelle Gewalttäter denken zu lassen.

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Kleine Zeitung, 30.5.2013

In den vom Frieden verwöhnten Gegenden ist das aber offenbar FESCH. Eine populäre Attitüde. Der „verflixte Kerl“, der „verwegene Bursche“, kein Bergsteiger oder Schluchtenkriecher, sondern ein Mann mit seiner Waffe, der auf den Staat pfeift und auf Landkriegskonventionen; kurz, ein Freigeist. Oder?

Wie passend, das die eher wenig interessante Kiste unter dem Namen „R1OT“ vermarktet wird. Die Zahl 1 im Wort liest sich natürlich wie ein „i“. Das englische Wort „riot“ bedeutet Aufruhr, Ausschreitung, korrespondiert also mit dem Streetfighter.

Machen wir weiter mit dem Dechiffrieren der hier vorliegenden Codes, denn das ist ein zu schönes Beispiel, um es sich entgehen zu lassen. Ein vorzügliches Exempel, um darzulegen, wie Gewaltbereitschaft ästhetisiert und kodifiziert wird, um sie als Kulturgut zu erhalten, auch wenn die allerfriedlichsten Zeiten herrschen; oder eben WEIL die allerfriedlichsten Zeiten herrschen.

Ich darf annehmen, daß sich Autorin Karin Riss nicht einmal bewußt ist, welches Geschäft sie hier implizit betreibt. Auch Unternehmer Andreas Gerhard Illek promotet womöglich diese Inhalte womöglich nicht intendiert, sondern weil der gut eingeführte Code attraktiv erscheint.

Was kann man nun an der „Aufruhr-Maschine“ noch alles entdecken? Ein flüchtiger Blick auf die Frontpartie des Wagens läßt annehmen: Bloß ein weiterer Lotus Seven-Klon aus der Kit Car-Szene. Doch beim Augenschein rundum schwächt sich dieses Bild ab.

Der R1OT spielt aber mit dem Flair dieser Verwandtschaft. Bei Sylva, dem ursprünglichen Anbieter dieses Bausatzes (Kit), wird das liebäugeln mit Lotus allein schon am Firmen-Logo ablesbar: [link] Was ist daran bemerkenswert?

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Lotus Seven bei Gleisdorfer Klassik-Event

Im Jahr 1957 war der radikale Zweisitzer, den Lotus-Gründer Colin Chapman entworfen hatte, auf den Markt gekommen. Selbstverständlich eine komfortlose Referenz an die "Harten Burschen", bloß daß man nun, da die "Silberpfeile" noch Siege einfuhren, nicht mehr Milliardär sein mußte, um an so eine Granate zu kommen.

Die Zahl der Lotus Seven-Replikas ist fast endlos. Am exponiertesten ist dabei sicher Caterham, ein britischer Hersteller, der sich dem volksnahen Rennsport verschrieben (Rennschule, Clubrennen, Cartsport etc.) und von Lotus die Rechte an diesem Sportwagen erworben hatte.

Brutaler sind in diesem Segment vermutlich nur noch die Roadster von Donkervoort, optisch in der gleichen Klasse, aber in der Oberliga bis zu 380 PS stark. So hart ist der R1OT nicht aufgestellt. Auch wenn der Hersteller sich in genau diesen Bereich ideologisch hineinreklamiert, wenn er etwa verkündet:

„Heute Beute. Später Jäger.“ [Quelle]

Sagen wir es klipp und klar: Bei lackierten Kampfhunden im 380 PS-Bereich muß der durchschnittliche Stutzer sein Schicksal und den Herstelle um eine Menge EDV-Assistenz anflehen, weil Durchschnittsfahrer in einer renntauglichen Mühle solcher Kraft sonst definitiv nicht gewachsen sind, falls sie ungefiltert bei den Rädern ankommt.

Aber immerhin hat der etwas großspurig tönende „Straßenkämpfer“ von SLRC (Graz) einen Hayabusa-Motor. Das nächste Identifikations-Angebot Richtung Krieger-Kaste, diesmal mit Anklängen an japanischen Schwert-Adel. (Fußnote: Das Akronym SLRC steht für Street Legal Race Cars.)

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"Streetfighter" serienmäßig: Die bullige Vmax

Hayabusa ist das japanische Wort für den Wanderfalken, der ja Assoziation zur Jagd zuläßt. Das Motorrad mit diesem Namen stammt aus dem Hause Suzuki und war die ersten Serienmaschine mit Straßenzulassung, auf der die 300 km/h-Markierung überfahren werden konnte.

Die Suzuki Hayabusa kam 1999 erstmals auf die Straßen. Davor muß es etwa 1980 gewesen sein, daß die freiwillige Selbstbeschränkung der Hersteller gefallen war und plötzlich Motorräder mit mehr als 100 PS für den Straßenbetrieb verfügbar waren. (Die hundert PS galten davor als Limit.)

Der Kawasaki Ninja begegnet eine Honda Fireblade, daneben mag Yamahas Vmax geradezu nett klingen, ist es aber nicht. („Maximum Velocity“ ist die höchst mögliche Geschwindigkeit, die ein Objekt erreichen kann, ab der keine weitere Beschleunigung machbar ist.) Sie verkörpert zugleich eine Stilrichtung, welche aus der Subkulktur in die Serienfertigung gefunden hat: "Streetfighter" ist ein aggressiver Motorrad-Stil, der den zur Spießer-Schaukel entratenen "Choppers" entgegensteht.

Übrigens! In früheren Zeiten hieß es: „Gentlemen! Start your engines!" Da waren also nicht Nebenwerbwerbs-Killer, sondern Sportsmen gemeint.

[In Bewegung]

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